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Extremer Transhumanismus: Mehr Maschine als Fleischsack

General Grievous ist wohl das extremste Beispiel für einen Cyborg, doch er ist nicht der einzige Cyborg, der aus nur noch aus etwas mehr als einem organischen Gehirn bestand und mit einem Beutel seiner Organe war er sogar noch organischer als manch andere...

Während Grievous Cyborg-Körper in der Legends-Kontinuität vor allem das Resultat eines Shuttle-Absturzes war, hat man in der kanonischen Kontinuität von The Clone Wars einen anderen Weg eingeschlagen und ließ Grievous selbst erklären, dass es sich bei seinen Cyborg-Bestandteilen um "Verbesserungen" handelt. Damit sollte man anders als bei Darth Vader oder Darth Maul nicht davon sprechen, dass Grievous organische Körperteile ersetzen musste, denn er wollte es so und angesichts seiner Performance als Cyborg-Jedi-Killer ist wohl auch klar, dass Grievous mit seinem hochgradig optimierten Maschinenkörper zu Leistungen im Stande ist, die ihm als organischen Wesen wohl nicht möglich gewesen wären. Grievous gilt übrigens auch im neuen Kanon weiterhin nicht als machtsensitiv, dass er sich trotzdem mit Jedi messen kann liegt also an seiner Skrupellosigkeit und seinem sehr speziellen Kampfstil, der die meisten Jedi-Ritter schlichtweg überfordert. Wie in The Clone Wars ist Grievous keinesfalls unbesiegbar und er muss sich vor allem gegen fähige Kombatanten auch hin und wieder zurückziehen, doch dass er nicht gleich mit zwei Hieben besiegt wird ist eben doch eine beachtenswerte Leistung.

 

Star Wars wird ja gerne abgesprochen Science Fiction zu sein oder sich mit Science Fiction-Themen zu beschäftigen, was auch daran liegt, dass es eher konservativ mit diesem Thema umgeht und gerade unter Disneys Kontrolle wohl kontroverse Themen ohnehin meiden wird. Es war aber auch nicht George Lucas ursprüngliche Vision mit Charakteren wie Darth Vader den Transhumanismus zu erforschen, denn Vader war als traurige Gestalt gedacht, die körperlich genauso vernarbt und verkrüppelt sein sollte wie innerlich. Dass wir bis heute darüber debattieren, ob Vaders Prothesen nun besser oder schlechter waren als seine organischen Körperteile ist ein wenig fruchtbarer Versuch gerade an dieser unergiebigen Stelle nach verborgenem Tiefsinn zu bohren. Bei General Grievous wartet hingegen eine höchst ergiebige Quelle, denn Grievous ist zugleich der Befehlshaber einer Armee von Kampfdroiden, die organischen Soldaten das Kämpfen ersparen und so eine "saubere Kriegsführung" ermöglichen sollte.

 

Grievous ist ein Beispiel dafür wie ein fähiger, aber physisch unterlegener Kämpfer versuchen kann das übernatürliche Niveau der Jedi-Ritter zu erreichen, denen er als Normalsterblicher nie das Wasser reichen könnte. So wie man die Droidenarmee der Konföderation Unabhängiger Systeme als moralisch saubere Lösung ansehen kann (während die Republik quasi Sklavensoldaten in den Krieg schickt), so ist auch Grievous an sich ein Versuch sich von einer moralisch korrumpierten Republik abzuwenden, denn Grievous unterzog sich seinen Veränderungen freiwillig und seine Fähigkeiten sind alles andere als gottgegeben. Im Gegensatz zu den Jedi-Rittern als hoch indoktrinierten und realitätsfremden Fanatikern ist Grievous ein Berufsoffizier, der tatsächlich die Freiheit besaß seinen Lebensweg zu wählen und zu gestalten. Derartige Versuche die Jedi zu ersetzen oder ihre Fähigkeiten mit Technologie zu imitieren gab es in SWTOR zumindest im Fall der Superwache (Power Guard), welche als geheimes Forschungsprojekt der Republik auf Nar Shaddaa damit beschäftigt war Cyborgs zu erschaffen, die es kämpferisch mit einem Jedi oder Sith aufnehmen können. Als das Projekt von den Sith unterwandert und für ihre Zwecke missbraucht wurde kam es jedoch zum zu erwartenden Problem mit der Rekrutierung von Versuchspersonen, welche ab dann zwangsrekrutiert wurden. Nar Shaddaa als Hub für technologische Entwicklungen und medizinische Eingriffe, die im zivilisierteren Rest der Galaxis wohl nicht erlaubt wären, ist ein interessanter Ort, zumal es die Hutten wohl kaum interessiert hat eine allzu ethische Gesetzgebung für die Bewohner der von ihnen kontrollierten Territorien zu beschließen. Es ist daher wohl auch kein Wunder, wenn Arcann hierher kam, um seinen Cyborg-Arm reparieren zu lassen oder dass der lokale Exchange-Ableger von einem Cyborg namens Ukabi angeführt wurde, der seinen Körper mit Kolto-Injektoren und einer Cortosis-Panzerung ausgestattet hatte. Selbst Tharan Cedrax, das Genie hinter dem Meridian-Komplex auf Corellia, unterhielt jahrelang ein Büro auf Nar Shaddaa.

 

Man würde wohl annehmen, dass Nar Shaddaa aus diesen Gründen der Ort wäre wo man die krassesten Cyborg-Varianten erwarten kann, doch das stimmt nicht ganz. Auch im Sith-Imperium selbst kann es zu ethisch hochgradig fragwürdigen Experimenten kommen, wobei diese sogar staatlich finanziert sein können. Eckard Lokins Thinktank scheint sich jedoch eher mit organischen Lebensformen beschäftigt zu haben. Der Cyborg Lord Grathan hatte während seiner "Unstimmigkeiten" mit dem Dunklen Rat und der darauf folgenden Belagerung seines Anwesens auf Dromund Kaas zumindest ein Experiment am Laufen, bei dem es manchen zurecht kalt den Rücken runter laufen kann. Grathans Wissenschaftler scheinen gefangenen imperialen Soldaten ihre Gehirne entnommen und in die Körper von Kampfdroiden eingesetzt zu haben (wobei sich meiner Meinung nach über die Qualität dieser Droidenkörper streiten lässt). An sich schon ein Kriegsverbrechen, weil man gefangene Soldaten medizinischen Versuchen aussetzte - doch die Vorstellung, dass diese Soldaten in gelähmten und fremden mechanischen Körpern erwachten, die ihnen weder ganz gehorchten (weil sich die Droidenkörper von Grathans Wissenschaftlern weiterhin fernsteuern und abschalten ließen), noch vertraute Sinneseindrücke vermittelten... meiner Meinung nach sollte durchaus Mitgefühl mit diesen Opfern Grathans haben. Grathan war in den Legends aber nicht der letzte Sith-Lord, der eine Mischung aus Sith-Alchemie und Wissenschaft einsetzte, um Soldaten gegen ihren Willen in Cyborgs zu verwandeln.

 

In den Legends war es Darth Sidious bzw. dessen innerster Zirkel unter der Führung von Exekutor Sedriss, der die so genannten "Schattendroiden" erschuf, welche die Hirne schwer verwundeter TIE-Fighter-Piloten enthielten. Die Bezeichnung als Droiden deutet schon darauf hin, wie wenig Bedeutung man der menschlichen Komponente und vor allem dem menschlichen Schicksalen hinter jedem einzelnen dieser "Droiden" beigemessen wurde.  Und warum? Weil ja schon in Episode II davon gesprochen wird, dass nur Menschen oder zumindest organische Wesen in der Lage sind kreativ zu denken, womit sie massenproduzierten Kampfdroiden für gewöhnlich überlegen sind. Das mag schon stimmen, aber im Fall der Zwangs-Umwandlung in "Cyborgs" wird man kaum gefragt und hat dann auch kaum noch einen Rückweg, stattdessen wird man nur noch wie ein Stück Hardware behandelt und de facto völlig entmenschlicht. Zumindest bis das entnommene Gehirn vielleicht irgendwann abstirbt und als Sondermüll entsorgt wird. 

 

 

Die Entnahme von Gehirnen hat in der Star Wars Galaxis jedoch Tradition und wird auch aus spirituellen Gründen vorgenommen, wie bei den B'omarr Mönchen, die etwa Jabbas "Palast" auf Tatooine ursprünglich als eines ihrer Kloster erbaut haben. Erreicht ein B'omarr Mönch den Zustand der "Erleuchtung" wird sein Gehirn entnommen, um ihn von weltlichen Einflüssen zu befreien. 

Das Treiben der B'omarr Mönche erinnert mich auch an die so genannten Kogitoren aus der Legends of Dune-Trilogie, wo Jahrhunderte bzw. Jahrtausende alte Philosphen und Denker dadurch überlebt haben, dass sie ihre Gehirne in entsprechenden Aufbewahrungszylindern verwahren ließen. Bis in die Ewigkeit philosophieren und sein Wissen teilen zu können klingt sicher verlockend, aber eine Gruppe von 20 Verschwörern um den General Agamemnon nutzte diese Technologie schließlich, um sich Unsterblichkeit zu verschaffen und ihre Hirne mit Kampfmechs (Cymeks) zu verbinden. Diese 20 Titanen unterwarfen daraufhin das alte Imperium des Dune-Universums und herrschten fortan mit Hilfe menschlicher Kollaborateure und einem Heer an Droiden, jedenfalls bis einer der ihren zum Aufstieg einer künstlichen Intelligenz beitrug, welche wiederum diese 20 Ober-Cyborgs unterwarf. An sich finde ich die Idee sich auf diesem Weg Unsterblichkeit zu verschaffen ja genial, auch wenn dabei zu klären ist, wie man den körperlichen Zerfall/Alterungsprozess eines Hirns einstellt. In der Welt von Star Wars gibt es ja auch unterschiedliche (oft quasi-alchemistische) Lösungsansätze wie man den Alterungsprozess verlangsamen kann, wobei dabei fast immer die Macht als Schlüssel zum Erfolg herhalten muss. Das Dune-Universum verwendet dahingegen unterschiedliche Wundermittel, wie die Flüssigkeit in der die Hirne der Kogitoren, Titanen und Neo-Cymeks eingelegt werden. Aber mal abgesehen von der Frage des gestoppten Zerfallsprozesses, die technischen Möglichkeiten der Titanen aka Cymeks und der später geschaffenen Neo-Cymeks sind beeindruckend, denn diese können quasi nach Belieben ihren Körper und ihre Gestalt wechseln, vom gigantischen Kriegsmech, über eine humanoide Gestalt bis zum Raumschiff. Und je nachdem wie diese Körper gestaltet sind können die Cymeks auch Gefühle wie die Außentemperatur, Windgeschwindigkeit oder sogar Gerüche wahrnehmen. Wer immer schon davon träumte einfach so fliegen zu können, könnte sich mittels der notwendigen Sensoren-Upgrades in einen Kampfjet verwandeln. Feel like a Transformer, become a Neo-Cymek today!

 

Ein typisches Cyborg-Problem das die Titanen in der Legends of Dune-Trilogie auch gelöst haben sticht mir hingegen bei den meisten anderen Cyborgs immer wieder ins Auge, gibt man denn mit seinem Cyborg-Körper auch so bereitwillig die Möglichkeit auf sich fortzupflanzen? Natürlich kann man immer spekulieren, ob da unten nicht einige organische Körperteile dran gelassen werden, aber jeder Ingenieur würde sagen, dass diese eine unnötige Schwachstelle für das Konstrukt darstellen und nicht nur weil diese Bereiche attackiert werden können. Je mehr man von seinem organischen Körper aufgibt, desto mehr verliert man auch Sinneseindrücke, wobei man entweder abstumpft oder psychische Probleme dadurch entwickelt. Agamemnons Lösung (dessen Name eigentlich nur sein Pseudonym aus Verschwörerzeiten ist) war es vor seiner Verwandlung einige Sperma-Proben aufbewahren zu lassen, damit er doch eines Tages Söhne in die Welt setzen kann, die sich vielleicht als mögliche Nachfolger erweisen können. Aber mal abgesehen von der machtpolitischen Strategie hinter Agamemnons Vorgehen, er bewahrte sich so auch ein Stück Menschlichkeit, denn nach der Umwandlung in einen Cymek hätte er sonst ja keine Kinder mehr zeugen können. General Grievous konnte zumindest in den Legends noch darin Trost finden, dass er ja vor seinem Unfall bereits ausreichend Kinder gezeugt hatte, um etwas von sich in der Welt zurückzulassen.

 

Ich finde die Idee der "Weiterentwicklung" zu einer Maschine an sich interessant, aber diese kratzt eben auch einem Quasi-Tabu-Thema, nämlich der Entwicklung über das menschliche Normal- oder Höchstmaß hinaus. Genauso wird ja auch Doping und jedes medizinische Mittel zur Leistungssteigerung mit kulturellen Vorbehalten konfrontiert, da es hiergegen sogar religiöse Verbote geben kann. Während man sich im Sport noch auf die Fairness ausreden kann, sind es in anderen Bereichen eher Bedenken wegen bleibender medizinischer Schäden die vorgeschoben werden. Suchtverhalten kann zudem auch weit über gesundheitliche Schäden hinaus Probleme erzeugen. Aber wer weiß, welche chronischen "Krankheiten" oder Probleme man sich als Cyborg einfangen würde? Phantomschmerzen sind da vielleicht sogar noch das geringste Übel, aber welche "Schmerzen" können einem Stromschwankungen oder unsauber verarbeitete mechanische Bestandteile eines Körpers verursachen? Ich glaube man muss mental bereits dafür geeignet sein ein Cyborg zu werden, denn ansonsten wird man den Verlust oder die Veränderung seiner Sinnenswahrnehmungen kaum verkraften. 

 

Die gängige Vorstellung von einer Umwandlung in seinen Cyborg ist meistens, dass man durch diesen Prozess etwas von seiner Menschlichkeit verliert. Dafür gewinnt man aber auch etwas, das meiner Meinung nach auch an manchen Darstellungen Darth Vaders erkennbar ist - man findet mehr Zeit, um sich mit den Dingen zu beschäftigen die einen zu dieser Transformation geführt haben und nun definieren. Cyborgs wie General Agamemnon oder General Grievous haben vielleicht ihren Zugang zu weltlichen Dingen verloren, aber sie sind dafür umso "spirituellere" Persönlichkeiten geworden, die sich nun höheren Zielen und Bedürfnissen zuwenden konnten. Dieser Antrieb ist aber wohl auch notwendig, um sie von der verlorenen Menschlichkeit und Bodenständigkeit abzulenken, denn im Endeffekt haben sie sich gewollt auf gewisse Motive wie Rache oder Machtgewinn reduziert. Vielleicht kann man die Tücken dieses Daseins seit diesem Jahr mit seinen Quarantäne- und Lockdown-Maßnahmen etwas besser verstehen, denn auch wenn man es sich vielleicht wünscht die Zeit zu haben etwas völlig ohne Ablenkung verfolgen zu können... wenn man die Gelegenheit dazu bekommt, wie geht man dann damit um, dass man viele andere Dinge nun nicht mehr tun kann?