· 

Einmal zum Mond, bitte

Man nehme das Setup von Interstellar, Helium-3 und füge eine Brise von um Realismus bemühten Science Fiction Klassikern der Vergangenheit und Gegenwart hinzu...

Es ist schon erstaunlich, was ein (meines Wissens nach) zweiköpfiges Entwicklerstudio erschaffen kann, denn grafisch und von der Umsetzung von Gameplay-Konzepten wie Schwerelosigkeit oder geringerer Schwerkraft würde ich behaupten, dass Deliver Us The Moon durchaus mit so manchem AAA-Titel mithalten kann. Um das Spiel jedoch nicht gleich zu Beginn weit über den Horizont hinaus zu loben, man merkt dem Titel auch stellenweise die beschränkten Ressourcen des Entwicklerteams an, vor allem wenn diese Geschichte über die Rettung der Welt im (für Nitpicker wie mich) sehr kleinen und persönlichen Rahmen erzählt wird.

 

Aber zunächst etwas zur Story. Deliver Us The Moon spielt im Jahr 2055 und die Menschheit lebt auf einer Erde die von Sandstürmen und rapider Verwüstung wie in Interstellar heim gesucht wird...

2030 ergab sich außerdem eine globale Energiekrise, welche einen rapiden Niedergang der menschlichen Zivilisation eingeleitet hätte. Hätte es nicht eine zündende Idee gegeben, mit der sich die nahende Katastrophe doch noch abwenden ließ. Man kolonialisierte den Mond. Nicht um von dort dem Untergang der Menschheit auf der Erde zuzusehen, sondern um Helium-3 abzubauen, dass zum Betrieb von Fusionsreaktoren genutzt werden konnte, deren Energie-Output dann mittels eines Microwave Power Transmittors auf die Idee transferiert werden konnte.

Orbitale Solarkraftwerke sind tatsächlich etwas, woran Staaten wie China (das 2028 einen Prototypen ans Netz bringen will) oder Großbritannien (das einen solchen für 2035 planen würde) bereits in unserer Gegenwart arbeiten und der Energietransfer mit Mikrowellen gehört zu den technischen Problemen die hierbei zu lösen wären, denn Batterien von der Erde in den Orbit und wieder zurück zu schicken würde zumindest die Energieeffizienz dieser Kraftwerke gefährden. Wer mit Anno 2205 vertraut ist wird sich daran erinnern, dass man dort auch Helium-3 fördern und via Parabolschüssel auf die Erde schicken kann (so bin ich mit dem Konzept vertraut geworden). Deliver Us The Moon nutzt also Konzepte die nicht völlig aus der Luft gegriffen sind, zumindest hinsichtlich des technischen Aspekts. Politisch sieht es etwas anders aus, aber dazu später mehr.

 

Das große Problem mit der Mondkolonie und dem erfüllten Traum der sauberen Energie tritt 2050 auf - denn dann versiegen die Energielieferungen der Lunar-Kolonisten plötzlich und jeder Hilferuf der Erde bleibt von nun an unbeantwortet. Man wähnt sich fast ein wenig in einem Szenario, dass auch aus The Expanse stammen könnte. Und jetzt wird es etwas ungemütlich, denn scheinbar hat die Erd-Regierung kein Problem damit die Hoffnung aufzugeben und stellt die Pläne der World Space Agency (WSA - designtechnisch wohl eher eine Weiterentwicklung der esa statt NASA) ein, welche vorsahen ein Team zum Mond zu schicken, um die Lage aufzuklären. Es dauert 5 Jahre bis eine Gruppe von ehemaligen WSA-Mitarbeitern eine der letzten Raketen der Erde in Betrieb nehmen und auf den Mond senden kann, mit einem einzelnen Astronauten an Bord, unserem Protagonisten...

Die Reise in die Mond-Kolonie hat alles zu bieten, was ich mir erträumt habe. Man darf seine Raumkapsel sogar an der Orbitalstation des Mondes andocken, man bewegt sich schwerelos und es gibt sogar eine meiner Ansicht nach stark von Gravity inspirierte Passage, in der man durch ein Trümmerfeld navigieren muss (allerdings scheint sich die Physik hier mal eine wohlverdiente Auszeit zu gönnen, denn Mikrotrümmer stellen wohl kein Problem für den WSA-Raumanzug dar).

Die ganze Zeit fragt man sich natürlich, was ist passiert und welche Gefahren erwarten einen noch. An dieser Stelle kann ich wohl einige Interessierte beruhigen. Deliver Us The Moon ist kein Space Shooter oder Dead Space. Im Gegenteil, das Gameplay ist derart pazifistisch, dass es am ehesten als Plattformer oder fast schon wie ein Walking-Simulator (in Space bzw. low gravity) beschrieben werden kann. Man verbringt seine Zeit damit das Rätsel der scheinbar leblosen Lunar-Kolonie zu lösen und kann durch Notizen, Hologrammaufnahmen einer hilfreichen ASE-Einheit und einige Ton-Aufnahmen langsam eine mehrschichte Story aufdecken. Man erfährt zunächst was im so genannten Lunar Council vorgefallen ist und welche Auswirkungen das auf den genialen Ingenieur Isaac Johansson hatte (dessen Familie eine nicht ganz unwichtige Rolle in der Story von Deliver Us The Moon und wohl auch dem für 2023 geplanten Sequel Deliver Us Mars spielt). Aber man wandelt auch auf den Spuren der Igenieurin Sarah Baker, welche während des Vorfalls von 2050 auf der Pearson-Orbitalstation über dem Mond stationiert war. Ohne zuviel zu verraten kann ich nur sagen, dass mir das ganze Rätseln sehr gut gefiel.

Als Fan von Filmen wie The Martian, Gravity, Interstellar oder auch Serien wie The Expanse und Space Force konnte ich bei meiner Reise auf den Mond gewissermaßen einen Traum leben. Natürlich, das Gameplay bietet nicht die explosive Triple A-Action die ein Spiel in die engere Auswahl zum Game of the Year katapultieren kann, aber es hat auch etwas sich durch die Schwerelosigkeit zu schlängeln, auf der Mond-Oberfläche herumzustapfen und Energiezellen von A nach B zu schleppen, um einzelne Module des Mond-Habitats zu reaktivieren.

 

Leider spoilen Titel und schon die bloße Existenz des Sequels Deliver Us Mars etwas vom Ende des Spiels, aber selbst wenn dieses schon 2022 existiert hätte, wäre meine erste Wahl wohl auch zunächst auf Deliver Us The Moon gefallen. Die im Deliver Us Mars zu sehenden Kletterpartien erinnern mich etwas an Tomb Raider und die Reise zum Mars dürfte auch eine erdähnlichere und daher weniger spannende Schwerkraft bzw. weniger Passagen mit echter Schwerelosigkeit mit sich bringen. So gesehen befürchte ich für das Sequel zumindest gameplaytechnisch ein etwas konventionelleres Abenteuer. Vielleicht hat man sich für das Sequel aber auch mehr von The Martian abgeschaut, denn was mir in Deliver Us The Moon noch fehlt ist etwas von den Lebensspuren einer durchaus einige Jahre aktiven und nicht völlig brandneuen Mond-Kolonie. Natürlich, ein kleines Entwicklerstudio hat wohl weder die Zeit, noch die Mitarbeiter um sich mit solchen Details zu beschäftigen, aber manchmal finde ich die Umgebungen etwas zu sauber und klinisch.

 

Meine wahren Kritikpunkte sind allerdings die politischen Rahmenbedingungen. Deliver Us The Moon hat eine Weltregierung und daher auch nur eine einzige Mond-Basis, in der alles vollständig in Englisch beschriftet ist. Statt Rangeleien zwischen Russland, China, den USA und jeder anderen an einer stabilen Energieversorgung interessierten Nation (die Sandstürme a la Interstellar dürften ja zu massiven Unterbrechungen bei Solarstrom führen, während die buchstäbliche Verwüstung wohl auch der Wasserkraft schadet) feiert man in dieser Utopie eine unerwartete Eintracht, aber eben auch mit dem Nachteil, dass die einzige Mond-Basis plötzlich ausfällt und die gesamte Erde dann fünf Jahre im Dunkeln tappt. Mich stört auch der Umstand, dass diese scheinbar so einträchtige Weltregierung völlig unfähig ist, das Problem mit der einzigen dauerhaft zuverlässigen Energiequelle der Erde zu lösen. Stattdessen gibt man auf und stellt alle Weltraumflüge ein? Ich finde es ja schon erfrischend, mal von den Ego-Trips irgendwelche Milliardäre mit Raumfahrtunternehmen verschont zu werden, aber ich würde doch meinen, dass ein größerer Entwickler die politische Landschaft der Erde vielleicht nicht auf ein englischsprachiges europäisches Dorf reduziert hätte.

 

Alles in allem würde ich Deliver Us The Moon trotz meiner Kritik an der utopischen politischen Landschaft einer dystopischen Zukunft der Erde empfehlen, wenn man sich für ein etwas ruhigeres Weltraum-Abenteuer interessieren kann.