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Spider-Man: Miles Morales - das Addon zum Vollpreis

Das letzte Spiel, das ich 2022 zu Ende gespielt habe ist zugleich auch eines, für das ich die größte Vorfreude aufgebracht habe...

Marvels Spider-Man Remastered auf PC ist am Ende wohl das Spiel des Jahres 2022 für mich gewesen, aber es gab durchaus Stellen an denen ich doch nicht ganz in den Rhythmus des Kampfsystems finden konnten. Überraschenderweise hatte ich damit in Spider-Man: Miles Morales überhaupt keine Probleme. Vom Gameplay her hat mich Miles Morales insofern überrascht, weil mir alles irgendwie flüssiger und sauberer vorkam, was entweder an einigem Feintuning seitens der Entwickler oder meinen eigenen Erfahrungen mit dem Vorgänger gelegen sein kann.

 

Was mich im Sommer schon groß auf Miles Morales hoffen ließ, war die Vorstellung des Charakters in Spider-Man Remastered und natürlich das aus der PS 4-5 Version bekannte Moveset mit Stealth und seinem Stuns. Spider-Man mit mehr Stealth, das klang für mich nach ein bisschen mehr Schleichspielerei wie in den Arkham Games oder eben auch Assassins Creed, so ganz nützlich kam mir der Stealth dann am Ende aber nicht vor. Dafür nutzte ich die Gelegenheit trotzdem ganze Gegnerbasen von der Decke herab aufzulösen. Visuell fand ich den Titel höchst beeindruckend und eines Marvel-Films würdig.

 

Miles Morales war definitiv ein Spiel, das meine Erwartungen erfüllt hat. Aber es hat auch einige Schwächen, die mich an seinem monetären Wert als Vollpreisspiel zweifeln lassen. Zunächst einmal ist der PC-Port mit 50 Euro gar nicht so günstig und für meine Verhältnisse immer noch gleichauf mit anderen Vollpreistiteln. Vom Content und der Story wird einem aber spürbar weniger geboten als in einem 60 Euro teuren Port wie Spider-Man Remastered. Nach einem doch etwas in die Länge gezogenen Playthrough (für diverse Achievements und Anzüge) komme ich auf 16 Stunden mit Miles Morales, was lange nicht an die 40+ Stunden mit Peter Parker heran kommt. Das Spiel bewegt sich aber ungefähr in der Liga von Guardians of the Galaxy, wofür ich für einen einzigen nicht auf Achievements oder Anzugsammeln ausgelegten Playthrough ca. 19,9 Stunden gebraucht habe. Und Guardians wird einem ja auch für 60 Euro verkauft, wobei es sich aber nie um einen einfachen Port von einer anderen Plattform gehandelt hat. Sonys Spider-Man-Spiele waren ja schon einige Jahre konsolenexklusiv auf den Markt, ehe man sie für den PC geportet und dort jetzt zu Vollpreistiteln gemacht hat.

 

Miles Morales kann seine 50 Euro vermutlich rechtfertigen, verglichen mit dem nur 10 Euro teureren Spider-Man Remastered wirkt es aber für mich eher wie ein Addon zu diesem. Miles hat zwar seine eigenen Moves, Animationen und Anzüge, aber im großen und ganzen musste man das Rad für dieses Sequel nicht neu erfinden und tatsächlich gab und gibt es für die Playstation auch Bundles in denen man Miles Morales entweder rabattiert zu Spider-Man Remastered dazu bekam oder auch umgekehrt.

 

Verglichen mit Peter Parkers großem Auftritt ist Miles Rolle etwas kleiner und bescheidener, man erlebt ingame faktisch seine ersten Abenteuer, nachdem er erst in Spider-Man Remastered von seiner radioaktiven Spinne gebissen wurde. Peter Parker als Mentor ist passenderweise auf Urlaub, weshalb Miles als dessen Lehrling nun ganz allein die Stadt beschützen darf. Die Bedrohung ist in diesem Fall etwas kleiner, denn im Endeffekt geht es nicht um die Welt oder auch ganz New York City, sondern primär um das Schicksal Harlems. Und um das wohl noch zu verdeutlichen, steht auch keine Wiederwahlkampagne eines Bürgermeister Norman Osborns im Rampenlicht, sondern die Wahlkampagne von Miles Mutter, Rio Morales, die als grass roots Politikerin für Harlem in den Stadtrat einziehen möchte. Nach Wilson Fisks Mafia, Mr. Negatives Bande, der Biker-Gang Tombstones, den Machenschaften Oscorps, den Söldnern von Sable International und ausgebrochenen Kriminellen bäckt man in Spider-Man: Miles Morales mit Roxxon und dem Untergrund, sowie einigen immer noch flüchtigen Verbrechern deutlich kleinere Brötchen. Miles Morales Wochen als Spider-Mans Urlaubsvertretung sind fast beschaulich, wenn man an die Katastrophen denkt, mit denen sich Peter Parker herumschlagen musste.

 

Miles Abenteuer wird dafür viel persönlicher gestaltet, denn es involviert neben seiner Jugendfreundin Phin auch seinen Onkel Aaron Davis, den man als den Prowler kennen könnte. So greift Insomniacs Miles Morales-Spiel also auch die Hintergrundgeschichte von Miles zur dunklen Seite gehörenden Onkel auf, wie sie in ähnlicher Form auch für Into the Spider-Verse verwendet wurde. Aaron Davis existiert sogar im MCU, allerdings wurden dort bisher weder der Prowler noch Miles Morales eingeführt. Marvel müsste sich sonst wohl wieder mit Sony um die Rechte an diesen Figuren streiten.

 

Der Spin den Insomniac seinem Miles Morales gibt ist allerdings etwas anders, als in Into the Spider-Verse oder auch den Comics. Rio Morales ist diesmal keine Krankenschwester, sondern eine Wissenschaftslehrerin, die in die Politik gehen will. Und der Prowler gerät auch nicht schon zu Beginn mit dem neuen Spider-Man aneinander, denn im Gegenteil, dieser Prowler ist zunächst sogar im "Superschurken-Ruhestand" und geht einer ganz gewöhnlichen Tätigkeit als Bahnarbeiter nach. Da ich die Comics nicht wirklich kenne, finde ich das durchaus erfrischend. Nicht genau zu wissen, wo Charaktere starten und enden werden macht die Story durchaus noch spannend.

 

Miles Morales bietet eine eher in sich geschlossene Origin Story, denn am Ende ist auch die Post Credit Scene nur ein Sequel zur bereits aus Spider-Man Remastered bekannten. Man wollte also gar keine eigene Miles Morales-Serie starten, sondern wohl wirklich nur einige Miles Morales-Missionen zu einem eigenen Story-Arc zusammenfassen. So wie die Geschichte endet, wird man sich aber auch erwarten, dass Miles in Spider-Man 2 nicht nur zu sehen, sondern auch zu spielen sein wird. Die Miles Morales-Fans würden wohl gleich verlangen, dass ihm in Spider-Man 2 eine gleichberechtigte Rolle neben Peter Parker zukommt und wenn man über das Ziel hinaus schießen will, vielleicht löst Miles in diesem Sequel Peter sogar dauerhaft als Spider-Man ab (die ganze Sache mit den "Venom"-ähnlichen Symbionten könnte ja fatal enden). Aber man wird sehen.

 

Spider-Man: Miles Morales macht jedenfalls einiges denkbar und zeigt, durch Innovationen für das Gameplay, das Spider-Men durchaus eine interessante Zukunft haben könnten. So ganz kann man Peter Parker und Miles Morales in diesem Spiel ja nicht vergleichen, da nur Miles spielbar ist. Da sich Peter als Spider-Man durchaus einiges Gadgets vorbehalten hat und Miles mit seinen "Venom-Angriffen" sowie dem Stealth-Modus natürliche Vorteile besitzt, besteht natürlich auch die Frage, wie gut die beiden ausbalanciert wären. Miles ist ja ebenfalls nicht auf den Kopf gefallen und könnte sich durchaus auch das eine oder andere eigene Gadget einfallen lassen. Woran es jedoch beiden Spider-Man mangelt ist eine geeignete Werkstätte oder auch nur die Finanzierung ihres "Hobbys". Miles ist noch ein 17jähriger Schüler und Peter ein arbeitsloser Akademiker Mitte 20, dessen letzter Arbeitgeber hinter Gittern gelandet ist. 

 

War es in Spider-Man Remastered die Geschichte Norman Osborns, die den Plot vorantrieb, dann ist es in Miles Morales Phin Mason. Ihr Bruder Rick ist schließlich der Entdecker des revolutionären Brennstoffs Nuform, den Roxxon Manager Simon Krieger als Antrieb für seine Karriere nutzen möchte.

Roxxon tritt aber gleich mal so auf, wie Sable International es erst gegen Ende von Spider-Man Remastered riskiert hat...

Und wieder einmal fragt man sich, was die Stadtregierung von Bürgermeister Osborn (ist dieser eigentlich immer noch im Amt?) sich generell so von Konzernen gefallen lässt. Die Situationen, in denen sich 10 Schläger um ein einzelnes Opfer in einer Seitengasse scharren und bei der Ankunft Spider-Mans ziehen zumindest 2 davon ein Sturmgewehr existieren übrigens auch noch, sie haben mich diesmal aber irgendwie weniger gestört. Dafür fiel mir früh auf, dass eines der "Verbrechen" auch mit einer Straßenschlacht zwischen Roxxon Söldnern und Untergrund-Gangstern auch einen Radpanzer samt Geschütz beinhaltet, fast wie zu Sables Zeiten. Private Sicherheitskräfte eines Energieunternehmens laufen mit militärischer Ausrüstung herum und das mitten in einer amerikanischen Großstadt. Und da soll noch einmal jemand sagen, das Marvel-Universum wäre keine Dystopie. Aber gut, zumindest spielerisch passt es ja, dass hier verschiedene Fraktionen zusammengefasst wurden und glücklicherweise verzichtet man diesmal auf lästige Jetpack-Trooper. Der Untergrund selbst versteht sich ja als Erbe all der Gangster in Spider-Man Remastered und muss neben einfachen Mafiosi auch die Biker der Tombstone-Gang oder Mr. Negatives Bande ersetzen. Verglichen mit Spider-Man Remastered empfang ich den Trash diesmal allerdings als weit einfacher und weniger variantenreich. Aus meiner Sicht lässt sich das ganze in etwa so beschreiben: Man fährt schon früher schwere Geschütze auf, dafür kommen nicht so viele davon ins Spiel. Für Trashmob-Enthusiasten kann das durchaus enttäuschend sein, denn man ist schnell damit durch sich Strategien auszuarbeiten. Auf Dauer würde so ein Artenarmut auch langweilig bis ermüdend werden, aber da das Spiel generell nicht so lange ist, kommt man meiner Meinung nach damit durch. Vielleicht wird ein New Game+ Playthrough aber noch meine Meinung ändern.

 

Ich finde es hätte generell besser gepasst, wenn Miles Morales ein Addon zu Spider-Man Remastered gewesen wäre und nicht zum Standalone-Titel geworden wäre. Dieser Fakt wurde mit den bereits erwähnten Bundles auf der Playstation ja noch einigermaßen kaschiert, aber der PC stößt mich da eben vor den Kopf. Miles Morales ist eine schwächere und stark entschlackte Version des Base Games von Spider-Man Remastered. Selbst ohne den DLC wäre das "Hauptspiel" noch umfangreicher und hätte eine für ein solches vollwertiges Superheldenspiel "würdigere" Story. Der bescheidenere Rahmen von Miles Morales lässt sich zum Vollpreis weniger gut verkaufen, wie wenn es ein Addon gewesen wäre.