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Ein Rückblick auf den Fallen Order-Prequel-Comic

Prequel-Comics können von sehr unterschiedlicher Qualität und Bedeutung sein...

Man muss kein Star Wars-Fan sein, um schon so seine Erfahrungen mit so manchem "Buch zum Film" oder "Comic zum Game" gemacht zu haben. Leider findet sich gefühlt in den meisten dieser Vorgeschichten (von den direkten Adaptionen eines Film- oder Game-Plots will ich gar nicht sprechen) nichts, was ihnen außer als Sammlerobjekten einen Mehrwert verleihen würde. Das klingt vielleicht hart, entspringt aber zumindest meinen Erfahrungen. Es ist leider auch nicht immer garantiert, dass sich der mit der Prequel-Geschichte beauftragte Autor mit dem eigentlichen Werk oder dessen Lore auskennt oder sich für so eine Auftragsarbeit große Mühe gibt. Es ist daher kein Wunder, wenn Franchise-Literatur meistens nicht für besondere Leistungen bekannt ist. Als Fan begegnet da Neuzugängen zu seinem Franchise oft mit großer Skepsis. In meinen Augen ist die Lage bei Star Wars-Werken in den letzten Jahren extrem unübersichtlich geworden. Anstatt auf vertraute Namen zu setzen, scheint man sich sehr stark um eine Diversifizierung des Autoren-Portfolios zu bemühen und ich meine nicht in politischer Hinsicht, sondern einfach hinsichtlich des Umstands dass man heute kaum noch auf die nächste Luceno/Allston/Karpyshyn/Golden/Denning/Blackman/Ostrander-Geschichte warten kann, weil die einstigen "regulars" keine großen fortlaufenden Projekte mehr haben. Selbst innerhalb der High Republic-Romane sind dauerhafte Spots wohl nicht garantiert, auch wenn sich Charles Soule, Cavan Scott und Justina Ireland bis jetzt gut halten konnten und doch noch zum Zug kommen. Aber die Zukunft ist sehr ungewiss und man fühlt sich etwas mehr an die Zeiten der NJO-Reihe (dt. Erbe der Jedi-Ritter) mit ihren 19 Romanen und 12 Autoren erinnert. So gesehen war Autor Matthew Rosenberg, der meinem Informationsstand weder an Fallen Order mitgeschrieben hat und außer eines einzigen Star Wars Marvel-Comics keine größere Bindung an das Franchise besaß, für mich ein ziemlich unbeschriebenes Blatt.

 

Angesichts der fehlenden Verbindung Rosenbergs zum Fallen Order-Team bin ich natürlich etwas skeptisch, wie akurat oder zukunftsweisend seine Darstellungen sein könnten. Ich will an dieser Stelle aber auch zur Verteidigung Rosenbergs anführen, dass auch die von Writing Team-Mitgliedern BioWares geschriebenen The Old Republic-Comics teils (insbesonders Robert Chestneys Threat of Peace-Dreiteiler, aber auch Alexander Freeds Blood of the Empire-Comics) etwas widersprüchliche Darstellungen zum tatsächlichen Plot des Spiels enthalten. Die Threat of Peace-Comics werden dabei gerne damit entschuldigt, dass sie zu früh im Entwicklungsprozess (2009) geschrieben wurden, weshalb sich Charakterdesign, Alter usw. bis 2011 noch änderten. Aber auch Alexander Freeds Blood of the Empire-Dreiteiler (2011) scheint keine große Bedeutung für SWTOR zu spielen, obwohl er einige sehr brisante Lore-Details enthielt, wie den Umstand, dass Darth Thanaton selbst einst Sklave war und dass der Dunkle Rat dank ihm von den "Kinden des Imperators" erfuhr. Einen direkten Draht zu den Story-Verantwortlichen zu haben ist also auch keine Garantie dafür, dass sich die Lektüre einer Prequel-Geschichte für Lore-Aficionados bezahlt macht.

 

Wie der Untertitel Dark Temple bereits vermuten lässt ist der Fallen Order-Prequel-Comic auch tatsächlich die Geschichte, in der Eno Cordova zum ersten Mal auf einen Zeffo-Tempel stoßen wird. Und um hier gleich mal das Ende zu spoilern, Cere Junda wird nach diesem Abenteuer zur Jedi-Ritterin befördert. Soviel zu den Ereignissen, die für Fallen Order tatsächlich relevant sind.

 

Trilla ist nur als Second Sister mit von der Partie, denn die Geschichte Ceres und Meister Cordovas wird in Rückblenden erzählt, was sich Jahrzehnte vor der imperialen Invasion auf Ontotho zugetragen hat, als der Planet gerade frisch der Republik beigetreten war. Zuvor gibt es jedoch noch einen Rückblick auf die Mission davor, nach der sich Cere Junda für ihre Handlungen vor dem Jedi-Rat rechtfertigen musste.

 

Cere Junda war als Padawan scheinbar ein richtiger Heißsporn und Meister Cordova unternahm scheinbar wenig, um sie in ihrem Übereifer auszubremsen. Cere handelt unüberlegt und dadurch auch sehr undiplomatisch, während Meister Cordova etwa anfangs vorschlägt den Streit zwischen einer Gruppe friedlicher Mönche und weniger für ihre Friedlichkeit bekannte Trandoshaner zu lösen, indem man beide Seiten anhört - ist Cere der Ansicht man wisse doch schon um was es geht. Und während sich Cordova mit den Mönchen zusammen sitzt, um deren Sicht der Dinge abzuklären, verstrickt sich Cere in eine gewalttätige Auseinandersetzung mit den Trandoshanern. Kaum hat sie diese vermeintlichen "Bösewichte" auf die Bretter geschickt steht jedoch Cordova mit einem Geständnis der Mönche neben ihr - denn diese haben die Trandoshaner bestohlen.

 

Cere hält dann auch nicht vor dem Jedi-Rat still und versucht sich für ihre Handlungen zu rechtfertigen, obwohl sie nur freundlicherweise nach dem Erfolg ihrer Mission gefragt wurde. Padawan Jundas von ihren Instinkten getriebenes Handeln wird vom Rat durchaus kritisiert, Meister Corodva entschuldigt dieses jedoch, denn haben nicht die antiken Jedi solchen Instinkten eine hohe Bedeutung zugemessen, weil solche Eingebungen direkt von der Macht stammen können? Cordova scheint Ceres Übermut nicht wirklich zu mäßigen, jedenfalls nicht so wie Obi-Wan Kenobi das bei Anakin Skywalker getan hat. Ich würde sogar behaupten, dass Anakin ein deutlich besser angepasster Jedi war, als es Cere Junda in dieser Geschichte ist.

 

Dass man sich mehr Zeit nehmen sollte, um die Positionen der verschiedenen Konfliktparteien zu verstehen, anstatt zu Schlüssen zu springen und sich gleich mit einer fertigen Meinung in die Schlacht zu stürzen, ist schlussendlich das Motto dieser Geschichte, denn auf Ontotho stellt sich der scheinbar simple Konflikt zwischen einem republikanischen Minen-Unternehmen und einer vermeintlich aggressiven unabhängigen Region als so vielschichtig wie eine Zwiebel heraus. Doch was macht Cere Junda? Die schlägt sich gleich zu Beginn auf die Seite der vermeintlichen Freiheitskämpfer. Natürlich ist die Daa Corporation nicht ganz unschuldig, aber doch nicht ganz so bösartig wie man annehmen könnte. Der Firmenchef ist etwa jemand, der mit sich reden ließe und der gesamte Konflikt hätte sich wohl auch ohne Blutvergießen lösen lassen. 

 

Hinsichtlich der politischen Situation auf Ontotho muss ich schon sagen, dass es Matthew Rosenberg hier gelungen ist einen wirklich interessanten Plot zu schaffen, der längst nicht so einfach gestrickt ist, wie man es in Star Wars-Werken sonst erlebt. Ich rechne ihm das noch umso höher an, weil ich mir das von einem bloßen Fallen Order-Tie-in schon gar nicht erwartet hätte. Dark Temple kann so gesehen fast auf eigenen Füßen stehen und sich mit mancher Prequel-Ära-Geschichte mit Obi-Wan und Anakin messen. Rosenberg schafft es sogar, Chairman Daa feststellen zu lassen, dass sich Cere mit ihrer Parteinahme für die Fylari im Grunde mit einem der Republik feindlich gegenüberstehenden Regime zusammengetan und ihre Kompetenzen weit überschritten hat. Zudem hat sie ein legitimes republikanisches Unternehmen angegriffen und dessen Eigentum zerstört. Soviel zum Thema, wie sich die Dinge darstellen lassen, wenn die Jedi einmal nicht sklavisch auf Seiten der republikanischen Interessen stehen. Cere hat praktisch so gehandelt wie man es sich von "unpolitischen" Jedi erwarten würde, aber am Ende ist sie doch zum Spielball einer der politischen Fraktionen geworden - der Fylari, die eine Eskalation des Konflikts mit der Daa Corporation wollen, um in einem Bürgerkrieg die Weltregierung zu stürzen, welcher sie nicht beigetreten sind. Und damit würde ganz Ontotho auch wieder die Republik verlassen können. Da haben wir also doch einen klassischen Prequel-Ära-Plot, aber er läuft bei weitem nicht so simpel und glatt gebügelt ab wie in irgendwelchen Jugendbüchern der 0er-Jahre (wie Jude Watsons Jedi-Padawan und Jedi-Quest-Jugendbuchreihen).

 

Was mich am Ende wundert, ist der Umstand, dass Cere trotz ihrer Verfehlungen und möglicher politischer Konsequenzen zur Jedi-Ritterin befördert wurde. Es dürfte also doch das Lob überwiegen, dass sie einen anti-republikanischen Umsturz auf Ontotho verhindert hat. Die Jedi als "Friendeshüter" waren also doch als Waffe gegen potentielle "Separatisten" brauchbar. Man sieht woher Count Dooku und manch andere Kritiker des späten Jedi-Ordens ihr Misstrauen gegenüber dem Jedi-Rat und seinen Entscheidungen haben. Cere ist am Ende in meinen Augen alles andere als eine perfekte Jedi-Ritterin und an ihrem überstürzten Handeln hat sich nichts geändert - es fehlt also auch die notwendige Entwicklung, die man sonst gerne als ausschlaggebend für den Aufstieg zum Jedi-Ritter voraussetzt. In der Praxis scheinen diese Ideale aber keine Rolle zu spielen und als unabhängige Ritterin kann man Cere wohl auch dorthin schicken, wo sie mit ihrem Verhalten weniger Schaden anrichtet, als auf den Missionen Jedi-Meister Cordovas. Den könnte man nun wiederum ohne seinen Elefant im Porzellanladen einsetzen.

 

Was ich mich angesichts des nahenden Release von Jedi: Survivor frage ist natürlich, wie viel von Ceres im Comic dargestellter Persönlichkeit auch für die Zukunft der Jedi-Reihe kanonisch ist. Eine derart engstirnige Jedi-Ritterin zur Meisterin eines neuen Jedi-Ordens zu machen muss ja für Probleme sorgen, auch im Umgang mit Cal Kestis. Cal scheint mir kein so extremer Hitzkopf zu sein, auch wenn seine Persönlichkeit in Fallen Order noch nicht ganz so zum Vorschein kam. Dass Cere sich charakterlich jedoch wenig verändert hat, würde erklären, wieso sie so hartnäckig an einem Wiederaufbau des Ordens interessiert ist. Im Gegensatz zu Cal, der von Visionen über die Inquisitoren oder auch die Weisheiten der Zeffo geplagt wurde, sieht Cere wahrscheinlich die Fallstricke gar nicht, welche die Jedi ihrer Zeit zu Fall gebracht haben und auch die Zukunft ihrer hypothetischen Jedi-Schüler gefährden könnten. Man wird sehen, was unterm Strich übrig bleibt.

 

Für sich genommen ist Fallen Order: Dark Temple eine in meinen Augen sehr gut umgesetzte Prequel-Ära-Geschichte mit einigen unerwarteten Facetten. Als Prequel für Fallen Order gibt der Comic etwas weniger her, außer dass man einen Einblick in das Gespann Eno Cordova-Cere Junda bekommt. Cordova war kein Kenobi und Cere wirkt wie eine ungehemmtere Version von Anakin, was viel über dieses Duo und Cordova als Jedi-Meister aussagen könnte. Also durchaus lesbar, wenn man die x-te "Planet nahe Bürgerkrieg muss von Jedi vor diesem gerettet werden"-Story ertragen kann, denn sie ist diesmal zumindest gut erzählt.