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God of War 4 - das völlig unerwartete Vater-Sohn-Abenteuer (God of War - Review)

Das God of War-Franchise war bis Kratos Reise nach Midgard eher für blutige Action und nicht gerade eine emotional packende Story bekannt...

Steams Outstanding Story-Rich Game of the Year 2022 (das auch als Game of the Year 2022 nominiert war) zu werden hätte man sich vor God of War 4 wohl von keinem God of War erwartet, aber es konnte passieren, weil sich das Franchise mit diesem Soft Reboot praktisch neu erfinden konnte. Und God of War 4 hat dank einer "Charme-Offensive" Sonys auch zu einem PC-Port gebracht, wie einige der zuvor konsolenexklusiven Blockbuster der letzten Jahren.

 

 

Ein Abschied mit Hindernissen

 

Goodbye God of War, Hallo God of War? Dass Kratos am Ende von God of War 3 gestorben zu sein schien, blieb zwar eher ein symbolischer Akt, aber einer von großer Tragweite. Denn bis God of War (4) kannte man das Franchise wohl doch eher nur wegen seiner gnadenlosen Action und der Möglichkeit fast den gesamten Olymp auszulöschen. Die Erwartungen an God of War 4 waren da eher gering, doch als das Spiel 2018 konsolenexklusiv erschien erwies es sich ähnlich wie Marvels Spider-Man als unverhoffter Erfolg. Und es lag nicht an Kratos Muskelkraft, sondern seinen Umgang mit seinem neu eingeführten Sohn Atreus.

 

Der Beginn von God of War 4 ist auch der Beginn von Kratos und Atreus Reise, denn jene Bäume die der ehemalige griechische Kriegsgott und Götterschlächter da für den Scheiterhaufen seiner verstorbenen Frau Faye schlägert stellen sich schnell als integraler Bestandteil eines Schutzwalls heraus, der Atreus Elternhaus umgab und somit jahrelang die ganze Familie vor den Augen der nordischen Götter versteckt hat. Während sich Vater und Sohn noch damit beschäftigen, wie sie den letzten Wunsch Fayes erfüllen können, werden sie schon zur Zielscheibe eines mysteriösen angeblich unsterblichen Gotts. Zwar erhalten die beiden Hilfe von einer mysteriösen Waldhexe, die sich schließlich als Göttin Freya entpuppt. Wer etwas von nordischer Mythologie weiß, der wird schnell die Zusammenhänge zwischen den Ereignissen erkennen und vielleicht auch schon mit Freyas name drop erahnen, wer der mysteriöse Unsterbliche ist oder wieso sich Odin über Kratos & Sohn den Kopf zerbricht. Als jemand der die nordische Mythologie irritierenderweise durch die Origin-Story des Thors der Marvel Ultimate-Comics kennen gelernt hat, war ich wenig überrascht, dass ich mich selbst dieses rudimentäre Wissen schon irgendwie gespoilert hatte, wer der mysteriöse Mr. Shirtless war.

 

Aber selbst jahrtausendealte Spoiler zu kennen bewahrte mich nicht vor der Vater-Sohn-Geschichte die sich in God of War vor meinen Augen entwickelte. Der mürrische Kratos entpuppt sich zunächst als abwesender Vater, der dem Wunsch seiner verstorbenen Frau folgend nun eine Vaterfigur sein muss, um es mit Atreus auf den höchsten Gipfel der neun Welten zu schaffen, von wo aus sie die Asche Fayes verstreuen sollen. Vater und Sohn verstehen sich anfangs nicht und Kratos grobes Verhalten tut wenig dafür, dass Atreus gebannt an jedem seiner Worte hängt. Ein Grund für Kratos Zurückhaltung gegenüber seinem Sohn ist auch, dass er diesem nie über seine Herkunft aufgeklärt hat, denn so wie Kratos ist Atreus rein technisch gesehen ebenfalls ein Gott. Atreus glaubt nur er ist ein Sterblicher, weil Kratos ihn im Dunkeln tappen lässt. Was die Geschichte aber auch andeutet ist Atreus Erbe mütterlicherseits, das für Kenner der Mythen keine so große Überraschung ist. God of War 4 biegt sich zwar einige Details zurecht, aber im Grunde schreibt man hier keine völlig neue nordische Saga, man wandelt sie nur in der besten Tradition antiker Geschichtenerzähler für seine Zwecke ab.

 

Die Vater-Sohn-Dynamik von Kratos und Atreus ist in meinen Augen das Highlight der Story, denn Atreus Verhalten ist für mich zumindest rundum glaubwürdig, bis hin zu seinen Wutausbrüchen und der kindlich-naiven Euphorie als er von seiner göttlichen Abstammung erfährt. DAS hätte ich mir nämlich nun wirklich nicht erwartet, es dann aber ingame zu erleben, hat für mich die positiven Reviews des Jahres 2018 alle bestätigt.

Ich und meine Axt

 

 

Mal abgesehen von der Dynamik zwischen Vater und Sohn, sowie der Charakterentwicklung die beiden zuteil wird, hat das Spiel aber noch ein zweites Meisterstück zu bieten - die Leviathan-Axt! Das Kampfsystem in God of War ist für meinen Geschmack grundsolide, doch was es wirklich spaßig für mich macht ist Kratos neueste Waffe. Die Leviathan-Axt ist zwar eigentlich nur eine überdimensionierte (Wurf-)Axt, die Frostschaden verursacht und man kann sie auf Kommando zurück in seine Hand fliegen lassen. Soweit die Theorie, die Praxis ist viel spektakulärer. Die Option die Leviathan-Axt zu werfen, zurückzubeordern, wieder zu werfen und taktisch somit auch hinter Gegnern zu platzieren, die dadurch in den ungeschützten Rücken getroffen werden können ist wegen ihrer Wucht und des Gameplay-Gefühls etwas, das ich mir von mir in dieser Form von mehr Spielen wünschen würde. Es wundert mich, dass es noch niemand gewagt hat Lichtschwertwürfe so inszenieren, wie Kratos Wurf der Leviathan-Axt.

 

Ein entscheidender Punkt für mich ist auch, dass der Axtwurf jederzeit verfügbar ist und trotz der Verzögerung beim Callback lässt sich die Axt sehr gut als Range-Waffe einsetzen. Ansonsten hätte Kratos ja nur Atreus und seinen Bogen, um Distanzen zu überbrücken. Natürlich gibt es Gegner die immun gegenüber der Leviathan-Axt sind oder deren Würfen ausweichen können. Die Chaosklingen samt ihres Peitschen-Effekts (etwas das ich als ideales Vorbild für mögliche Venom-Attacken in Spider-Man 2 betrachte) bekommt erst verhältnismäßig spät, sodass es für mich selbst später immer noch die Standard-Praxis war zunächst mit Axtwürfen und Atreus Schützenhilfe Gegner auf Distanz zu halten. Wenn das nicht funktionierte, wechselte ich allerdings auch gerne auf die Chaosklingen. Der Peitschen-Effekt von Kratos Chaosklingen fühlt sich für mich auch sehr befriedigend an und ist etwas, das sich andere Entwickler meiner Meinung nach auch genauer ansehen sollten, nicht zuletzt im Star Wars-Franchise wo es die legendären "Lichtpeitschen" in abgewandelter Form ja auch wieder in den Kanon geschafft haben.

 

 

Befriedigende Kämpfe und eine brillante Story

 

Nach 22 Stunden war ich mit der Story durch und auch wenn ich das Kampfsystem im Nachhinein nicht als überragend bezeichnen würde, es war zumindest befriedigend. Was ich nach God of War am ehesten vermisse ist natürlich das Spielgefühl mit der Leviathan-Axt. Das Leveldesign selbst war zumindest schön anzusehen, auch wenn das Open World-Gefühl, aufgrund schlauchartiger Level abseits des zentralen Hubs im See der neun Welten, für mich eher ausblieb. Was God of War in meinen Augen jedoch ganz klar von der Masse abhebt ist seine zutiefst menschliche und glaubwürdige (ja, in einer Welt voller Götter fasziniert mich ausgerechnet Kratos und Atreus Vater-Söhn-Dynamik) Geschichte, die man sich von einem Action-Spektakel normalerweise nicht erwarten darf. Den Steam-Award für das Outstanding Story-Rich Game 2022 hat sich die PC-Version meiner Meinung nach zurecht verdient. Ich hoffe nur, es dauert nicht wieder 4 Jahre bis God of War: Ragnarök als PC-Port erscheinen wird.