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Im Schatten der Vorgänger (Shadow of the Tomb Raider - Review)

2018 habe ich meinen ersten Playthrough gleich nach dem Release begonnen und nach etwa 4 Stunden abgebrochen. Seither sind einige Jahre vergangen, doch ich habe Shadow of the Tomb Raider eine zweite Chance gegeben und mich durch einige Stellen so bis ans andere Ende durchgequält wie Lara durch die diversen Felsspalten im Spiel...

Gefühlt musste ich Shadow of the Tomb Raider einfach abschließen, um mit absoluter Gewissheit sagen zu können, dass es für mich das am wenigsten unterhaltsame Spiel der Tomb Raider Prequel-Trilogie gewesen ist. Seit 2023 angekündigt wurde, dass die Rechte für das Franchise nun von Amazon gepachtet wurden (nachdem das Franchise samt Entwicklerstudio Crystal Dynamics von Embracer/THQ Nordic gekauft wurde) steht die Zukunft des Tomb Raider Franchise wieder in den Sternen, nachdem Crystal Dynamics vor dem Verkauf an Embracer/THQ Nordic ja noch an einem neuen Tomb Raider gearbeitet haben dürfte. Kolportiert wird, dass Amazon die Cash Cow gleich mit einem Film, einer Serie und einem Videospiel melken will. Dass man sich da mal nicht übernimmt, denn auch wenn Videospiel-Adaptionen wie HBOs The Last of Us große Erfolge werden können, die Stärke kommt oft aus deren Vorlage und wie diese schlussendlich adaptiert wird. Für jedes The Last of Us gibt es auch ein HALO, das die ursprüngliche Fangemeinde katastrophal spaltet und sich auch rein objektiv betrachtet, höchst kontroverse Freiheiten bei der Änderung der Lore erlaubt hat. Das muss zwar nicht immer schlecht sein, aber der Shitstorm bleibt nicht aus und in meinen Augen stehen die Chancen oft auch nur 50:50 dass man am Ende mit einem Gewinn dasteht und nicht ohne das große öffentliche Echo irgendwo in einer Nische nach einer Staffel die Produktion einstellen muss. Netflix kann mit seinen oft zweifelhaften Live Action-Adaptionen von erfolgreichen Animes wohl ein Lied davon singen, wie sich erfolgreiche Vorlagen nicht immer auch für erfolgreiche Neuinterpretationen nutzen lassen.

 

Aber genug über die unsichere Zukunft von Tomb Raider, Shadow of the Tomb Raider war das Ende seiner ganz eigenen Trilogie und auch wenn man versucht hat diese 2018 mit Alicia Vikander als der jungen Lara Croft in eine Film-Trilogie umzumünzen, die Videospiele haben sich als dauerhafterer Erfolg erwiesen. Mein eigenes Verhältnis zu Tomb Raider als Action-Adventure begann auch erst mit dem 2013 erschienenem Tomb Raider, bis dahin existierte Lara Croft für mich wie der Master Chief nur als quasi-konsolenexklusive Ikone. Tomb Raider war also mein erstes Tomb Raider und ich habe es geliebt. Ich habe Tomb Raider (2013) aber auch erst 2018 gespielt, nachdem ich mir damals meine ersten echten Gaming-PC gekauft habe. Als jemand der damals seit 2011 primär SWTOR gezockt hat (mit einigen Ausnahmen wie Dragon Age Inquisition oder Mass Effect 3, die ich damals allerdings nie durchgezockt habe) waren Grafik und Gameplay eine Wucht und beeindruckend genug, dass ich dann auch gleich auf Rise of the Tomb Raider aufgesprungen bin. Mir das 2018 erscheinende nächste Tomb Raider zu kaufen, war da eine ziemlich einfache Entscheidung.

 

Shadow of the Tomb Raider versprach seinerzeit mehr von allem. Schon Rise of the Tomb Raider war 2016 eine Steigerung gegenüber dem Original und führte neue verbesserte Kletterfeatures ein. Shadow of the Tomb Raider hatte damit die Wahl, entweder man sucht kreative Wege Laras Optionen zurückzunehmen (was im Spiel mehrfach passiert, wenn sie ihre Ausrüstung verliert, abgeben oder verstecken muss) oder man erweitert diese noch weiter. Rückblickend auf meine Playthroughs von 2018 weiß ich natürlich nicht mehr ganz genau, was schon in Rise of the Tomb Raider oder gar Tomb Raider vorhanden war. Aber zumindest das Stealth-Gameplay und die Brutalität mit der Lara sich durch Shadow of the Tomb Raider mordet scheinen mir meiner trüben Erinnerung nach in den Vorgängern noch nicht ganz so ausgeprägt gewesen zu sein. Shadow gibt sich gefühlt auch mehr Mühe damit, auf Gore zu setzen. In manchen der Tempel oder Katakomben findet man fast mehr mumifizierte Leichname als Steinstatuen und so oft wie sich Lara durch irgendwelche Engstelle mit Mumien oder Skeletten durchzwängen muss frage ich mich schon, ob das sein musste, denn es lässt die Story unnötig weit ins Absurde abdriften.

Das Gameplay in Shadow of the Tomb Raider konnte mir auch 2023 viel gewohntes bieten. Gerade das Klettern im Spiel ist in meinen Augen etwas, das ich mir von manchen Nachahmern (wie dem Indie-Titel Deliver us Mars) in genau dieser funktionierenden Form gewünscht hätte. Laras Todesszenen sind natürlich nicht so jedermanns Sache, gerade weil man meiner Meinung nach sehr oft mit diesen konfrontiert ist. Im ersten Anlauf schaffe ich etwa kaum eines der Umgebungs-Rätsel oder auch die meisten Action-Parkour-Passagen. Learning by Dying heißt da die Devise. Verglichen mit anderen Spielen ist Shadow of the Tomb Raider hinsichtlich von Timing und Distanzen da sehr großzügig. Gerade beim Beginn meines 2023 Playthroughs dachte ich mehrmals, dass sich gewisse Sprünge einfach nicht ausgehen dürften, da ich aus anderen Spielen etwas weniger übermenschliche Fähigkeiten gewohnt war (und da zählt auch Jedi: Fallen Order dazu).

 

Was mich 2023 aber an Shadow of the Tomb Raider störte war ein Sound-Bug den ich anno 2018 noch nicht zu bekämpfen hatte. Es könnte an einem GeForce Overlay liegen, aber zeitweise fielen bei mir einfach die Dialoge aus. Und damit meine ich eben nicht bloß den Ton, sondern auch die Untertitel. Anfangs dachte ich sogar noch, das muss so sein, vielleicht soll die Umgebung so laut sein, dass man Lara & Co in diesem Moment nicht hören kann. Aber das Problem begleitete mich weiter und keine der Lösung half dauerhaft. Einen Tag später konnte ich trotz implementierter Lösung wieder ohne Ton dastehen und musste etwa den Re-Download der Sprachdateien wiederholen, was dann für den Neustart des Spiels ausreichte (also besser nicht das Spiel verlassen). Lästig, aber es war auch nicht der einzige Bug. Bei einigen der Parkours scheint man nicht sprinten oder laufen zu dürfen, da das mit dem Spawnen von Objekten zu Problemen führt. Ich clippte etwa mehrmals in Wände hinein oder fiel durch Plattformen hindurch. Da ärgert man sich nochmal deutlich mehr über die sehr visuellen Todesszenen.

Was mich damals an meinem vollen Playthrough gehindert hat und auch 2023 fast dazu führte, dass ich das Spiel nicht durchgespielt hätte hat sich scheinbar auch nicht geändert. Mir fehlt der Spaß an Shadow of the Tomb Raider. Es gibt durchaus einige Stealth-Passagen, Rätsel und dergleichen die Spaß machen könnten, aber irgendwie haben es die Entwickler geschafft diesen genau das zu nehmen, was sie für mich spielenswert gemacht hätte. In Rise of the Tomb Raider habe ich noch jedes Grab erforscht und mich an allem versucht, was wie eine Nebenquest aussah. Shadow of the Tomb Raider mit seiner halboffenen Schlauchwelt ist auch nicht unbedingt ein Spiel in dessen Welt ich mich wirklich wohl gefühlt hätte. Über Geschmäcker und Empfindungen eines Spielgefühls lässt sich natürlich streiten, aber irgendwie war mir Shadow of the Tomb Raider auch zu schattig, im Sinne von nicht farbenprächtig genug. Gerade Südamerika und der Dschungel lassen irgendwie keine ganz so große Atmosphäre aufkommen und vielleicht ist es mehr als ein Sinnbild, dass man viel zu oft durch Schlamm watet, sich mit Schlamm einschmiert und verwaschen, verschlammte Ruinen besucht. Ich möchte halt behaupten den Spiel fehlt der nötige Pep, es sieht in vielen Bereichen einfach zu mittelmäßig und verwässert aus, visuell wie spielerisch.

 

Die Story hilft Shadow of the Tomb Raider auch nicht wirklich dabei mich zu begeistern. Was Sache ist wird viel zu früh klar und man verbringt etwas mehr als die Hälfte des Spiels bereits mit dem Wissen über die "geheimen Absichten" des Antagonisten. Am Ende kommen keine große Wenden mehr, nur noch ein etwas künstlich inszeniertes Zweckbündnis für den finalen Showdown. Wo sind die epischen Kämpfe der vergangenen Tomb Raider geblieben? Gegen Ende hin kommt zumindest in den hitzigen Kämpfen in der angeteaserten Raffinerie etwas Action-Stimmung auf, doch der vermeintliche Showdown mit dem Zwischenboss Commander Rourke bleibt auch hinter den Erwartungen zurück. Rourkes ist generell nur ein Anhängsel von Dr. Dominguez, der zum ultimativen Bad Guy aufgebauscht wird, ohne wirklich in diese Rolle hineinzuwachsen. Der Anführer von Trinity, der auch Laras Vater ermorden ließ und in seiner ersten Begegnung mit Lara versucht die Welt moralisch auf den Kopf zu stellen - wird zudem auch noch unter den Bewohnern der verborgenen Stadt als menschliche Inkarnation eines Gottes bezeichnet, regiert dort als eine Art Tyrann gegen die rechtmäßige Königin und so ganz nebenbei ist er auch noch ihr Schwager. All das und trotzdem wird man Dr. Dominguez aka Amaru nie in einer Reihe mit wirklich beeindruckenden Schurken wie Pagan Min aus Far Cry 4 stehen, weil man am Ende doch nichts aus diesem Szenario heraus holen konnte und dabei hätte sich Shadow of the Tomb Raider durchaus angeboten eine Art Far Cry 4 Klon zu werden (das Far Cry im Himalaya, in welchem man die Rebellen gegen den Tyrannen Pagan Min unterstützen soll, der das Kulturerbe der Tibet oder Nepal nachempfundenen Nation verkauft, um seine Armee zu finanzieren). Shadow of the Tomb Raider hätte das Potential bessen durch Dominguez unklare Moral und Psychospielchen einen Antagonisten zu schaffen, dessen Tod bis heute von einigen Fans betrauert werden könnte, aber am Ende ist Dominguez Charakter-Arc wieder einer der Gründe warum ich mein Spielerlebnis als ernüchternd bezeichnen würde.

 

Shadow versucht aber auch Laras Erfahrungen, Trauma und Verlustängste für die Story zu nutzen. Wenn ihr Dr. Dominguez etwa ins Gesicht sagt, sie wäre für die drohende Katastrophe verantwortlich, weil sie am Beginn des Spiels den Dolch gestohlen hat, mit dem das Ende der Welt eingeläutet wird, hat er ja durchaus Recht. Und auch seine Diskreditierung von Laras Doppelmoral trifft ins Schwarze, denn sie tötet ja haufenweise Trinity-Soldaten und wie am Beginn des Spiels sterben auch unzählige Unschuldige durch die von ihr in Gang gesetzte Apokalypse. Aber Ende gut, alles gut? Lara darf zwar ihre Momente des Selbstzweifels haben, aber von ihrem Kurs bringt sie das nicht ab und auch wenn das Spiel hier eigentlich etwas sehr relevantes zu sagen hätte, eine echte Charakter-Entwicklung findet man schlussendlich einfach nicht statt. Lara mit der "Schattenseite" ihres Tuns zu konfrontieren ist nur eine temporäre Verunsicherung, kein Grund ihr Leben gründlich zu überdenken oder dem Rambo-Dasein abzuschwören. Man trifft zwar den Nagel auf den Kopf, aber ohne ihn je irgendwo angesetzt zu haben.