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Eindrücke aus Jedi: Survivor - Part 6 (Postgame, bleibende Eindrücke)

Etwas Neues, Altes, Geborgtes und Blaues hat Jedi: Survivors Postgame ja, aber wie glücklich wird man langfristig mit der Fortsetzung von Fallen Order?

Eine Frage die ich mir bei Videospielen immer wieder stelle ist, würde mich ein zweiter Playthrough interessieren? Oder gibt mir der erste schon soviel Content, dass der Kaufpreis mehr als gerechtfertigt ist?

 

Bei Fallen Order war diese Antwort für mich leicht zu finden. Das Spiel ist und war in Sales für gewöhnlich extrem günstig zu haben, aufgrund der linearen Story und überschaubaren Dauer meines ersten Playthroughs hat mich ein zweiter Playthrough aber nie so gereizt. Jetzt übrigens noch weniger, da ich Survivor für das von Features und Umfang her bessere Spiel halte. Survivor gibt einem zwar auch noch nicht alle seine Skills von Beginn an zur Hand, aber man hat durchaus einige der Essentials und auch wenn die Story ebenso linear ist, dank der vorhandenen Twists kann es sich lohnen in einem neuen Playthrough nach allerlei foreshadowing Ausschau zu halten.

 

Technisch hat Survivor allerdings einige Probleme und man kann nur hoffen, dass EA-Respawn diese mit der Zeit soweit lösen können, dass das Spiel sich von der damit verbundenen großen Welle der Negativbewertungen erholen kann. Cyberpunkt 2077 hat es geschafft seinen Ruf zu retten, aber da steckt halt auch kein EA dahinter, dass sich deutlich seltener um seinen Ruf sorgt. Irgendwann wird Survivor aber auch im Sale landen und günstig genug sein, dass sich die Performance-Probleme ertragen lassen.

 

Mit dem Open World-Ansatz auf Koboh hat sich Jedi: Survivor meiner Meinung nach auch einen großen Vorteil gegenüber Fallen Order verschafft. Es mag nett sein, sich durch die "Trainings-Szenarien" auf den Meditationspunkten durchzuschlagen, aber deren Umgebung hat sich seit Fallen Order für meinen Geschmack kaum verändert. Auf Koboh hat man jedoch die Möglichkeit auch in einer freien Umgebung verschiedenste Gegner vor verschiedensten Kulissen zu bekämpfen. Natürlich, man konnte auch in Fallen Order ganz einfach Gegner respawnen, aber dort wirkt das noch sehr statisch. In Survivor werden die Gegner-Patrouillen auf Koboh etwa auch random generiert und so kann man sich einmal mit Standard-Sturmtruppen, dann aber mit einem DT-Droiden und Purge Troopern messen. Gleichzeitig hat man aber auch das Leveldesign von Fallen Order behalten und es gibt mit Coruscant, Kobohs Mond und Nova Garon drei Planeten mit dem üblichen schlauchartigen Leveldesign. Jedha bildet da meiner Meinung nach eine Ausnahme, da der Planet über Koboh sehr ähnliche weite Ebenen verfügt. Damit werden zwar nur die Anreisewege gestreckt, aber der Planet wirkt zumindest größer, ohne es wirklich zu sein. Jedi: Survivor hat allerdings keine echte Open World und wer Spiele wie Assassins Creed: Origins, Odyssey oder Valhalla kennt wird etwas enttäuscht sein, dass man nur bestimmte Wände emporklettern kann. So von der echten Open World verwöhnt, hat es mich schon mehrmals irritiert, von unsichtbaren Wänden aufgehalten zu werden. Survivor schränkt emergent gameplay ein, was aber nicht bedeutet, dass man es nicht versuchen wird sich durch Jump'n'Run-Passagen durchzucheesen. Ich war etwa irgendwann ein großer Fan davon auf dem schmalen Grat über den Wand-Lauf-Plattformen zu landen und von dort aus weiter zu springen. So regelmäßig wie ich bei den Sprungpassagen gestorben bin, muss ich mir wohl eingestehen, dass ich mich nicht mehr an strikte Vorgaben für "ab diesem Punkte kann man nicht mehr an der Wand entlang laufen, obwohl sie praktisch immer noch aus Stein ist" halten will. Wenn ich mehrere Runden durch einen zylindrischen Raum laufen und mich bis zu dessen Decke hocharbeiten will, dann erlaubt mir das Survivor nicht. Es ist einfach nicht diese Art von Spiel. Mal angenommen Ubisofts Open World-Star Wars-Spiel wird kein Reinfall, dann könnte Jedi: Survivor in der nahen Zukunft große Konkurrenz bekommen, sollte Ubisoft mehr Raum für emergent gameplay zulassen. Gerade mit den akrobatischen Jedi-Fähigkeiten könnte man einiges probieren.

 

Jedi: Survivor hat den großen Vorteil, bis auf den Vorgänger keine aktuelle Konkurrenz zu genießen. Als Star Wars-Fan ist das Spiel praktisch alternativlos und scheinbar ohne Vergleich. Dieses Monopol ist schön und gut, Jedi: Survivor könnte aber auch besser sein und in Zukunft wird man sich nicht mehr auf die Exklusivrechte verlassen können, denn EA hat diesen Deal mit Lucasfilm nicht verlängert, weshalb nun eben auch ein potentielles Konkurrenzprodukt bei Ubisofts Studio Massive Entertainment als Open World-Spiel in Entwicklung ist. Ubisoft hat seine "Erfolgsformeln" und ich persönlich bin durch Far Cry 3-6 auch gewissermaßen indoktriniert, wie Ubis Open World-Shooter funktionieren. Massive Entertainment hat das heute noch hoch geschätzte Far Cry 3 entwickelt und war seither das Leistudio bei der Entwicklung von Tom Clancy's The Division (1+2). EA mag bei Fallen Order und (vorerst?) auch bei Survivor auf Mikrotransaktionen verzichtet haben, bei Ubisoft ist es allerdings gängig, dass man für jedes Spiel eine Art Credits erwerben kann, mit denen sich regelmäßig veröffentlichte neue Outfit-Packs kaufen lassen. Wir werden noch sehen wie sich die Lage bei Jedi: Survivor entwickeln wird, bisher gäbe es aber ein 20 Euro teures Deluxe-Edition-Pack mit 2 Outfits und je einem Skin für das Lichtschwert und die Blaster-Pistole. Wird EA da noch mehr liefern?

 

Thematisch passt hier vielleicht auch schon die Frage, ob Jedi: Survivor DLC bekommen könnte. Bei Fallen Order war dieser ja nicht geplant und konnte auch nur schwierig als Postgame implementiert werden. Survivor endet allerdings mit einer weiterhin zugänglichen Spielwelt, was die Möglichkeit von Addon-Content nicht mehr aus technischen Gründen ausschließen würde. Die Frage ist nur, ob solcher geplant ist. Bei Ubisoft scheint DLC mittlerweile fast immer miteingeplant zu werden und teils reicht ein einzelner Season-Pass auch nicht mehr für ein Spiel aus.

 

Jedi: Survivor endet aus meiner Sicht mit reichlich Sequel-Potential, zumal der verlorene Planet Tanalorr nicht wirklich absolut vor dem Imperium sicher ist. Am Ende des Spiels hat das Imperium einen Sternenzerstörer im Orbit geparkt, was auch bedeutet, dass zwangsläufig mehr imperiale Truppen auf dem Planeten unterwegs sein werden. Das Imperium dehnt seinen Einfluss immer weiter aus, was schon im Prolog auf Coruscant durch Senator Sejans "Staatsgeheimnisse" offenbart wurde. Ingame wird die Zunahme der imperialen Kontrolle durch die imperialen Patrouillen auf dem Planeten sichtbar. Wer zumindest einige der kanonischen Star Wars-Romane kennt, der weiß, dass Imperium ist sehr stark an den Rohstoffen ehemaliger Hinterwäldler-Planeten interessiert. Priorit hat also vermutlich auch für das Imperium Priorität. Selbst wenn man Priorit nicht für den Bau des Todessterns brauchen sollte, irgendein geschäftstüchtiger imperialer Höfling wird schon einen Grund finden, sich für sein Konglomerat die Schürfrechte auf Koboh und wohl auch dessen Mond zu sichern. Ich erinnere mich da etwa an Count Vidian aus John Jackson Millers Rebels-Prequel-Roman A NEW DAWN bzw. Vidians Rivalen Baron Danthe, der in Jedi: Survivor im Gegensatz zu Vidian noch am Leben sein sollte. Danthe war ein Droiden-Tycoon und sicherte sich einen Exklusiv-Vertrag mit dem Imperium, um hitzeresistente Bergbau-Drohnen für den Metall-Abbau auf der Sonnenseite des Planeten Gorse herzustellen. Danthe wurde außerdem zu einem Förderer von Captain Rae Sloane. Das imperiale Interesse an Tanalorr könnte sich aber auch auf die mysteriöse Koboh-Materie ausweiten, die sich ja auch für imperiale Bauprojekte nutzen ließe. Aber auch die Jedi-Ruinen würde das Imperium wohl nicht lange stehen lassen und ein ehemaliges separatistisches Kernschiff genauso wenig, immerhin lassen sich bei diesem erwiesenermaßen Rohstoffe recyceln, die man für den Bau neuer Sternenzerstörer verwenden kann. Mit imperialer Kontrolle kommt auch eine verstärkte Verkehrsüberwachung, womit auch die Versorgung Tanalorrs schwieriger würde, selbst wenn man Merrins Tarnvorrichtung zur Hand hat.

 

Es bleibt auch einigermaßen ungeklärt, wie die Nihil einst mit einer ganzen Flotte nach Tanalorr vorstoßen konnten und ob ihre Navigationsmethode heute womöglich im Besitz des Imperiums ist. Das Imperium hat ja nun generell die Jedi-Archive unter ihrer Kontrolle, sowie substantielle "private" Sammlungen der Sith. Der Jedi-Rat könnte in den Bogan-Sammlungen des Jedi-Archivs durchaus einige brauchbare Relikte für die Erschließung Tanalorrs aufbewahrt haben. Man ließ wohl kaum, wie Count Dooku, alle Hinweise auf einen Planeten streichen. Der Jedi-Rat könnte sich aber das Vorrecht behalten haben, als einzige Instanz Einsicht in diese Aufzeichnungen nehmen zu können. Darth Sidious wiederum hat bekanntermaßen ein großes Interesse an Hyperraumnavigation und Raumanomalien, wenn man die Aftermath-Trilogie als Beweis heranzieht. Palpatine rekrutierte Thrawn einst auch deshalb, weil er sich von ihm nützliches Wissen über die Unbekannten Regionen und die dortigen Hyperraum-Anomalien erwartete - zur Planung des künftigen Territoriums der Ersten Ordnung. Palpatines Versteck auf Exogol ist wiederum nur mit einer Art "Sith-Kompass" erreichbar. 

 

 

Jedi: Survivor hat sich stark bei fast allen Star Wars-Serien der letzten Jahre bedient, vielleicht mit der Ausnahme der aktuellen Staffeln von The Bad Batch und The Mandalorian (weil weder Klone, noch Mandalorianer eine große Rolle spielen). Andor, Obi-Wan Kenobi und die erste Staffel The Mandalorian hatten aber sehr erkennbare Einflüsse auf Story und Design von Survivor, allerdings nicht immer so, wie man sich das vielleicht erwartet hätte. Mit der Rückkehr Thrawns in Ahsoka, der in The Mandalorian und The Bad Batch 2023 aufgegriffenen Klon-Thematik könnte ein Survivor-Sequel einige neue Konzepte aufgreifen - wie Klone und wahrscheinlich auch die Unbekannten Regionen (samt der dunklen Jedi aus dem Ahsoka-Teaser). Das ließe auch die Möglichkeit offen, Thrawn selbst gleich zu einem potentiellen Antagonisten für Cal Kestis zu machen. Immerhin spielt Survivor einige Jährchen vor Star Wars Rebels. Der spätere Großadmiral könnte also schon einige Jahre vor der Schlacht von Atollon eine "Rebellen-Zelle" aufgespürt und bis zu einem geheimnisvollen Planeten verfolgt haben. Als "Jedi-Krieger" wäre Cal für Thrawn sogar womöglich ein interessanter Gegner und kanonisch haben wir bisher noch keine Noghri-Todesschwadronen gesehen. Thrawns "Leibwächter" Rukh war bisher nur in der vierten und finalen Rebels-Staffel zu sehen, wobei er auch ansonsten bisher nur in Thrawn: Alliances vorkam. Ein Survivor Sequel hätte also die Möglichkeit Cal mit Noghri-Killerkommandos zu konfrontieren, ähnlich wie die Haxion Brood in Fallen Order.

 

Als Beschäftigung für das Postgame hält Jedi: Survivor auch eine Nebenquest-Reihe mit von der Haxion Brood ausgesandten Kopfgeldjägern bereit. Was mich überlegen lässt, ob ein Abschluss von Cals Story nicht auch einen Showdown mit dem Verbrecherfürsten Sorc Tormo beinhalten sollte. Insofern hoffe ich auch auf ein Fallen Order 3. Die Kopfgeldjäger in Survivor wirken zwar zunächst noch interessant und abwechslungsreich, doch sie entpuppen sich als sehr uniforme Gestalten, mit sehr geringer Farbvarianz und den sich abwechselnden oder miteinander verbündeten Gegnertypen (Droide, Gunslinger, Boussh-Verschnitt mit Schild und Möchtegern-Fett mit Jetpack). Da hätte ich mir etwas spannendere Minibosse mit erinnerungswürdigen Persönlichkeiten erwartet. Statt einem IG-Droiden trifft man jedoch immer wieder auf die gleichen Tonnen mit Armen. Dass am Ende Boba Fett auftaucht ist da schon ein kleines Wunder, aber Boba ist nicht einmal für Cal gekommen. Selbst in Assassins Creed: Odyssey hatte ich noch mehr Spaß mit "Kopfgeldjägern", auch wenn deren Aussehen ab einem gewissen Zeitpunkt nur noch random generiert wurde. Was mich störte war etwa der Umstand, von Kopfgeldjägern auf Nova Garon gesucht zu werden, nachdem man dort schon nicht mehr unterwegs war. Es hätte für mich mehr Sinn gemacht, während meiner Mission random von Kopfgeldjägern überfallen zu werden, ein bisschen wie noch in Fallen Order. Oder man hätte gar wie in AC: Odyssey eine Art Fahnungslevel (angelehnt an das GTA-Franchise) verwenden können. Massakriert man auf einmal haufenweise Sturmtruppen oder Bedlam Raiders werden dadurch auch Kopfgeldjäger auf einem aufmerksam und stürzen sich in einem stilleren Moment auf einen.

 

Was Jedi: Survivor für mich geschafft hat, ist Cal zu einem vollwertigen Charakter in seiner eigenen Story zu machen. In Fallen Order wurde er ja fast passiv durch die Story beordert und ich fand am Ende Cere Jundas Charakter-Entwicklung noch interessanter als Cals. Der Protagonist ging in Fallen Order die meiste Zeit eher unter, während er in Survivor endlich auf eigenen Füßen stehen kann. Cal hat in Survivor tatsächlich Ziele und Wünsche. Cals Story-Arc erträgt es sogar, dass man in einer Passage statt Cal Cere spielen kann, ohne dass Cals Story dadurch überschattet wird. Interessanterweise wagt man es in Survivor sogar, Cal und Merrin ihre romantischen Gefühle füreinander entdecken zu lassen, was vielleicht nicht allen Merrin-Fans (vor allem nach Sam Maggs Roman BATTLE SCARS) gefallen wird. Zumindest dienen diese Momente aber auch einem Zweck, nämlich um Bodes Angriff auf Merrin während des Finales einen extra Schuss Dramatik zu geben. Bode ist drauf und dran Cals Familie zu zerstören, während Cal nichts dagegen tun kann - eine Angst die Bode scheinbar in all seinen Handlungen antreibt und auch dazu führt, dass er sich nicht von Cal von seinem Weg abbringen lässt. Wenn Cal es schon nicht schafft Merrin zu schützen, wie könnte er Bode dann versprechen, dessen Tochter zu schützen? Generell muss Cal in Survivor einige sehr herbe persönliche Verluste einstecken, sodass ich im Finale auch kurz geglaubt habe Bode könnte Merrin töten oder versehentlich seine eigene Tochter gefährden - alles um Cal dazu zu bringen ihn niederzustrecken. Am Ende hat Bodes Tod und Cals Handeln für mich einen Hauch des Duells zwischen Jacen und Jaina Solo. Jacen wie Bode haben sich sehr pro-aktiv auf die Seite der Schurken geschlagen, um ihre Töchter zu beschützen, anstatt die Zukunft geschehen zu lassen und gegen die dunkle Seite anzukämpfen. Dafür wurden sie von jemanden getötet, der sie einst als Teil ihrer Familie gesehen hat, jedenfalls bis sie eine "Tante" töteten. Cal und Jaina Solo sind beide mehr oder weniger gezwungen ein kaltblütigen Mord zu begehen und gegen Jedi-Ideale zu verstoßen, weil ihr gegenüber so unbekehrbar geworden ist. Die Frage ist, wie nahe einen solche Akte zur dunklen Seite bringen. Cal feuerte praktisch zwei Schüsse auf einen entwaffneten Bode Akuna ab, den zweiten auf einen bereits getroffenen und womöglich sterbenden Bode. Zuvor hatte Bode aber noch mit Cals Klinge an seinem Hals bewiesen, dass er auch ohne eine Waffe noch eine Gefahr darstellt, solange er die Macht nutzen kann. Er überwältigte Cal, nahm ihn in den Schwitzkasten und benutzte die dunkle Seite um Merrin beinahe zu erwürgen. Bode hat bewiesen, dass er nicht aufgeben würde, was Cals moralischen Kompass vor eine große Herausforderung stellt. Zuvor musste man schon der dunklen Seite nachgeben, um sich gegen Bodes Schläge zu wehren - tut man das nicht, wird man von Bode zu Tode geprügelt. Und wozu? Nur damit Bode Tanalorr für sich und seine Tochter allein haben kann. Kompromisse oder Verhandlungen schlägt er aus. Und er benutzt Cals Überzeugungen als Jedi-Ritter gegen ihn. Doch Cal ist auch schon seit Nova Garon wuterfüllt hinter Bode nachgejagt. Wie dunkel ist Cal also am Ende wirklich, nachdem er sich schon nur mit der dunklen Seite gegen Bode wehren konnte und ihn dann auch noch ermorden musste? Ich finde ein Sequel müsste sich mit dieser Frage beschäftigen, denn Cal findet sich nun in einer ähnlichen Lage wie Cere Junda wieder.

 

Würde Cal den gleichen Weg wie Cere gehen, müsste er sein Lichtschwert nun wohl niederlegen und daran zweifeln, dass er weiterhin ein Jedi sein kann. Der Epilog und das Postgame lassen noch nicht klar erkennen, wie Cal damit umgehen wird, dass er den Mörder seiner Mentoren in seinen inneren Zirkel eingeladen hat. Die nach dem Ende auffindbaren Macht-Echos lassen erkennen, dass Bode sehr gezielt darauf hinarbeitete, sich Cals Vertrauen zu erschleichen. Wann immer Bode Cal also seinen Bruder nennt und ins Vertrauen zieht, dann um ihn um den Finger zu wickeln. Schließlich nimmt Cal den Verräter sogar nach Jedha mit, ohne dabei mit der Wimper zu zucken. Cere wiederum hatte ja auch das Problem, dass sie ihrer Padawan einst alles anvertraut hatte, was sie von Meister Cordova wusste - allerdings war es für Cere völlig unvorhersehbar, dass Trilla zur Inquisitorin werden würde. Cere bemühte sich am Ende aber zumindest darum, Trilla aus den Fängen der dunklen Seite zurückzugewinnen. Und Trilla ließ sich tatsächlich soweit bekehren, dass Darth Vader sie schließlich aus dem Verkehr zog. Survivor hält keine Happy Ends für seine Antagonisten bereit und das macht das Spiel zu einer der düstereren Star Wars-Stories. 

 

 

Noch würde ich Cal nicht als dunklen Jedi einstufen, aber er hat einen sehr gefährlichen Schritt gewagt, der sich nur noch schwer als Notwehr rechtfertigen lässt. Nicht zu vergessen ist auch, dass er Rayvis auf dessen Wunsch hin töten musste, nachdem ihm dieser ein Bündnis gegen Dagan Gera verweigert hat. Rayvis Tod hatte durchaus etwas ehrenhaftes an sich, aber er war hinsichtlich des Jedi-Ideals ein schwerwiegender Fall. Rayvis war unbewaffnet und hätte sich auf jeden Fall erholen können. Außerdem schien Rayvis Bündnis mit Dagan ohnehin kurz vor der Terminierung zu stehen. Es war lediglich Rayvis Wunsch nach einem Kriegertod, der Cal dazu bewegte ihn niederzustrecken. Das mag sich vielleicht rechtfertigen lassen, weil es nicht aus böser Absicht oder aufgrund negativer Emotionen geschah, aber es würde auf keinen Fall im Einklang mit dem Ideal von "Light and Life" stehen.

 

"Light and Life" war der Schlachtruf des Jedi-Ordens der Hohen Republik, nicht "For the Jedi" oder "For the Republic". Genau deshalb finde ich es schwer mich mit Dagan Gera als Jedi der Hohen Republik abzufinden, es wäre aus meiner Sicht als Lore-Aficionado besser gewesen ihn zu irgendeinem vergessenen dunklen Jedi zu machen, aber nicht ausgerechnet zu einem Jedi dieses goldenen Zeitalters. Außer den goldenen Roben hat Dagen in meinen Augen nichts mit der Hohen Republik gemein. Sicher, Dagans vergessenes Schicksal lässt sich damit rechtfertigen, dass kaum aussagewillige Zeugen überlebten und sein Fall war auch noch lokal auf Koboh begrenzt. Aber für mich ist Dagan, wie in einem meiner früheren Artikel spekuliert, nun eine kanonische Version des dunklen Jedi Volfe Karkko, dessen Karriere in den Legends aber nur lose in die Jahrhunderte zwischen dem Verschwinden der Sith und Episode 1 eingeordnet werden konnte. Wenn wir nun schon soweit sind, einen Antagonisten aus der Jedi-Karriere Quinlan Vos in den Kanon zu holen, dann frage ich mich auch, wann es soweit sein könnte, dass Cal endlich auf sein potentielles Vorbild trifft. Ich kann ja nicht müde werden, die sich in Survivor sogar noch vertiefenden Parallelen zwischen diesen beiden Überlebenden der Order 66 zu unterstreichen. Beide haben Order 66 überlebt, hatten eine Beziehung zu einer Nachtschwester von Dathomir (Vos: Asajj Ventress) und kamen im Zuge dieser Verbindung auch der dunklen Seite sehr nahe (Vos: lernte den Gebrauch der dunklen Seite explizit um Count Dooku zu töten) - außerdem besitzen beide das Talent Machtechos wahrzunehmen und ihre Fähigkeiten als Kämpfer haben sie bestenfalls kurz mit den Sith-Lords ihrer Generation (Vos: duellierte sich mit Count Dooku, konnte aber nur dank seiner Unberechenbarkeit kurz die Oberhand behalten) mithalten lassen. Als Bode Merrin fast erwürgte hatte ich schon das Schicksal Quinlan Vos vor Augen, der miterleben musste, wie Asajj Ventress durch Count Dooku ermordet wurde. Im Gegensatz zu Asajj Ventress hatte Merrin zwar nie einen Sith-Lehrmeister und ist auch nie wie die Ex-Padawan Ventress nach dem Tod ihres Meisters der dunklen Seite verfallen, aber Merrin ist dafür im Gegensatz zu Ventress eine echte im Gebrauch der dunklen Magie bewanderte Nachtschwester. Vielleicht macht sie das zu einer besseren Stützte für Cal, aber man darf wohl auch nicht vergessen, dass Mutter Talzin über die gleichen Fähigkeiten wie Merrin verfügte und die Wiederauferstehung Darth Mauls, sowie die dunkle Wiedergeburt Savage Opress zu verantworten hatte. 

 

Mit Bodes Tochter an Bord haben Cal und Merrin potentiell eine Erbin für ihre beiden Traditionen gefunden, sofern sich Kata Akuna als machtsensitiv erweisen sollte. Es ist meiner Meinung nach aber wahrscheinlicher, dass Merrin Kata als Nachtschwester ausbilden wird, da Cal die Fortsetzung des Jedi-Ordens in Fallen Order ja eigentlich ausgeschlossen hätte. Ich halte es aber für gut möglich, dass Merrins Stealth-Fähigkeit in einem Sequel auch einen Weg in Cals Arsenal an Machtfähigkeiten finden könnte. Die beste Lösung um Cals Überleben über die Rebellion hinaus zu rechtfertigen, wäre, wenn man ihn zu mehr als nur einem Jedi-Ritter werden lässt. Ein Beispiel dafür wäre sogar Asajj Ventress, die zur Padawan des verschollenen Jedi-Meisters Ky Narec wurde, ehe dieser verstarb. Ihre Rache an Narecs Mördern brachte sie auf die dunkle Seite und ihr Zorn auf den Jedi-Orden, der Narec im Stich gelassen und so zum Sterben zurück gelassen hatte, trieb sie dem ebenso auf den Orden zornigen Count Dooku in die Arme. Wann immer man Ventress in The Clone Wars sieht kann man sich daher vor Augen führen, dass ihr Beef mit dem Jedi-Orden daher rührt, dass sie dieser nie anerkannt oder unterstützt hat. All die schönen Jedi-Ideale bewahrten Ky Narec nicht vor dessen Tod und hätten nur erlaubt, dass Narecs Mörder einfach ungehindert weiter Leben zerstört hätten. Bei ihr gelang es Obi-Wan Kenobi allerdings eine gewisse Vertrauensgrundlage zu finden, da er nicht Dookus Zerrbild des Jedi-Ordens zu entsprechen schien. Ventress Bekehrung dauerte aber Jahre und erforderte mehrere Konfrontationen mit Kenobi, sowie den leichtfertigen Verrat durch ihren Meister Dooku. So verraten wandte sich Ventress aber nicht dem Jedi-Orden zu, sondern flüchtete zu ihren Schwestern auf Dathomir, wo sie Unterschlupf und Unterstützung bei Mutter Talzin fand. Talzin verfolgte damals ihren ganz eigenen Plan, um sich an den Sith zu rächen, womit sie den Sith jedoch die Rechtfertigung für General Grievous Massaker an den Nachtschwestern lieferte. Seit Talzins Tod (einige Zeit nach dem ursprünglichen Massaker, aber neuerlich durch General Grievous) schienen die Nachtschwestern ausgelöscht zu sein, wäre in Fallen Order nicht Merrin aufgetaucht. Seither besteht die Chance den Clan wiederaufzubauen, wenn auch nicht notwendigerweise mit Dathomiri wie Merrin. Sofern Cal und Merrin Kata nicht irgendwo abgeben, kommen wir "Mutter Merrin" ein entscheidendes Stück näher. Vom Imperium vertriebene Machtnutzerinnen aufzusammeln und in der Abgeschiedenheit von Dathomir zu verstecken wäre womöglich sogar sicherer als noch zu Zeiten der Klonkriege. Kampfdroiden erwiesen sich gegen die psychologische Kriegsführung der Nachtschwestern weit weniger empfänglich, als es Sturmtruppen tun würden. Die auf der lebenden Macht aufgebaute Magie der Nachtschwestern sollte sich zudem besser eignen organische Gegner zu bekämpfen.

 

Eine Verbindung von Cal Kestis und der Obi-Wan Kenobi-Miniserie stand seinerzeit ja sehr hoch im Kurs. Mit Quinlan Vos wäre eine solche vielleicht sogar möglich. Vos bringt, wie bereits erwähnt, einige Parallelen zu Cal mit und könnte sich wie kein zweiter als idealer Mentor erweisen, denn immerhin hatte er auch schon mit der dunklen Seite zu ringen. Ähnlich wie Bode Akuna diente Vos zudem einige Zeit lang als einer jener Jedi-Ritter, die in den Klonkriegen als Spione und Agenten genutzt wurden. Vos immenses Talent in Undercover-Operationen machte ihn schon vor den Klonkriegen zu einem gefragten Kandidaten für das Aufdecken von kriminellen Netzwerken (Vos psychometrisches Talent erlaubte es ihm auch die Herkunft von Diebesgut und Schmuggelware zu erahnen). Dank der Kenobi-Miniserie wissen wir nun auch, dass Vos nicht nur Order 66 überlebt hat, sondern auch ein Teil des Hidden Path wurde. Jetzt wo Cal ebenso eine Rolle im Hidden Path spielen muss, scheinen mir die Vorzeichen auf eine Begegnung dieser beiden immer deutlicher zu werden. Seit Fallen Order Cals psychometrisches Talent eingeführt hat wurde dieses auch nicht weiter entwickelt, wohl auch weil Cal dafür noch keinen Mentor hatte. Mit etwas Hilfe könnte Cal sein Talent wohl auch dafür nutzen, Informationen gezielter auszulesen, etwa wenn er in einem Sequel vielleicht Entführer verfolgen müsste.