· 

Tanjiro Kamado: der perfekte Jedi-Ritter?

Mit der Ankündigung, dass die nächste Star Wars Celebration 2025 in Tokyo stattfinden wird, erscheint es mir sinnvoll, sich mit den japanischen Wurzeln der Star Wars-Saga und somit auch ihrer entfernten Verwandtschaft zu beschäftigen...

Demon Slayer ist aktuell einer der populärsten Anime-Exporte aus der Heimat Akira Kurosawas, dessen Filme George Lucas nachhaltig beeinflusst haben - und was Star Wars und Demon Slayer gemeinsam haben sind nicht nur bunte Schwerter, sondern auch Protagonisten mit sehr hohen Idealen.

 

Demon Slayer spielt in der Taisho-Ära (30. Juli 1912 bis zum 25. Dezember 1926 - der Regierungszeit von Kaiser Yoshihito) und ist auch in das Fantasy-Genre einzuordnen, wobei die einzigen wirklich übernatürlichen Kräfte den Dämonen zur Verfügung stehen, die vor 1000 Jahren als Resultat eines alchemistischen Experiments entstanden sind. Um diese Kreaturen zu bekämpfen, formierte sich einst das Demon Slayer Corps aus Angehörigen von Opfern der Dämonenangriffe. Doch die Demon Slayer können nur unter großer Aufopferung mit den Dämonen mithalten, auch indem sie bestimmte Atemtechniken mit ihren Schwertkampftechniken verbunden haben, um zumindest für kurze Zeit die Grenzen der menschlichen Leistungsfähigkeit überschreiten zu können.

 

In dieser Welt muss Tanjiro Kamado erleben, wie seine gesamte Familie von einem Dämon ermordet wurde. Dämonen sind dazu gezwungen menschliches Blut zu sich zu nehmen, was sie in Verbindung mit ihrer Empfindlichkeit gegenüber Sonnenlicht Vampiren ähnlich macht. Und ihr Schöpfer Muzan Kibutsuji ist so etwas wie Demon Slayers Graf Dracula. Da das ganze in Japan spielt muss man allerdings erwähnen, dass die Sonne im "Land der aufgehenden Sonne" mit der Göttin Amaterasu in Verbindung steht. Es fällt leicht gewisse Aspekte der Story aus einer etwas zu eurozentrischen Perspektive zu sehen, aber es steckt oft sehr viel mehr dahinter als man vermuten würde.

 

Ein Mitglied von Tanjiros Familie hat den Angriff jedoch überlebt, seine Schwester Nezuko, die allerdings in eine Dämonin verwandelt wurde. Es ist eine schicksalhafte Begegnung, dass kurz darauf der Demon Slayer Giyu Tomioka auf Tanjiro und dessen Schwester trifft. Tomioka sieht sich verpflichtet die Dämonin Nezuko zu töten, doch Tanjiro versucht ihn davon abzuhalten und als Tomioka den im Kampf unerfahrenen Köhler überwältigt stellt sich Nezuko schützend vor ihren Bruder - ein Novum unter den Dämonen, die mit ihrer Verwandlung meist auch all ihre menschlichen Bindungen (sowie einige Erinnerungen und einen Großteil ihrer Gefühle) verlieren. Nezuko wurde aber nicht freiwillig zur Dämonin und irgendetwas ist anders mit diesem Mädchen. Tomioka entscheidet sich das Risiko einzugehen und ermöglicht es Tanjiro bei seinem einstigen Lehrmeister eine Ausbildung als Dämonenjäger zu beginnen, damit es Tanjiro möglich wird nach einem Weg zu suchen, seine Schwester wieder in einen Menschen zurückzuverwandeln - etwas das 1000 Jahren noch nicht geschehen ist.

 

Soweit der Beginn von Tanjiros Geschichte. Was den jungen Schwertkämpfer so besonders macht ist nun vor allem, dass er wegen des Schicksals seiner Schwester und seines fast grenzenlosen Mitgefühls im Gegensatz zu so vielen anderen Dämonenjägern immer noch Mitgefühl für seine Gegner übrig hat. Für Tanjiro war jeder Dämon einst ein Mensch. Es ist eine sehr ikonische Szene, wenn Tanjiro neben dem Kopf es enthaupteten Dämonen kniet und diesen in seinen letzten Momente begleitet. Oftmals erfahren wir in Rückblenden da auch die tragische Hintergrundgeschichte des jeweiligen Dämonen. Tanjiros Mitgefühl ist anfangs auch ein Problem für ihn, denn er zögert mit dem entscheidenden Hieb, weshalb ihn sein Lehrmeister Urokodaki zunächst als Demon Slayer ungeeignet einschätzt. Tanjiro lernt allerdings angesichts der grausamen Mordserien vieler Dämonen sein Zögern zu überwinden - wobei sein Glaube an eine mögliche Wiedergeburt eine Rolle spielt. Im Hier und Jetzt kann er ihnen ohnehin nicht helfen und als Dämonen sind sie gezwungen immer weiter zu morden, was er nicht zulassen kann - vielleicht haben sie im nächsten Leben aber mehr Glück und können einen besseren Lebensweg einschlagen.

 

Tanjiros Mitgefühl ist eine bemerkenswerte Waffe, denn er schafft es im Verlauf seiner Geschichte immer wieder, Dämonen an ihre verlorene Menschlichkeit zu erinnern. Ergänzend dazu muss man aber auch erwähnen, dass Tanjiro im Gegensatz zu so vielen anderen Protagonisten kein echter Auserwählter ist. Es wurde in der Animefassung bisher nur angedeutet, im Manga kommt es gegen Ende hin allerdings deutlicher zur Sprache - Tanjiros Fähigkeiten entstammen seiner Willenskraft. Kaum ein anderer Demon Slayer hat so hart trainiert, dass er nun fast vernarbte Handfläche hat, alles weil Tanjiro weiß, dass er sich Muzan Kibutsuji stellen muss, um seine Schwester vom Fluch der Dämonen zu befreien. Der Entertainment District-Arc wartet da mit einigen bezeichnenden Zitaten auf, wenn sich etwa der Hashira Tengen Uzui gegen die Vorwürfe seines dämonischen Gegners wehrt, der behauptet Uzui wären seine Fähigkeiten praktisch in die Wiege gelegt worden, sodass er es immer leicht gehabt hätte. Uzuis Argumentation gilt genauso für Tanjiro, denn auch Tanjiro war kein Schwertkämpfer der einfach ein Katana in die Hände nahm und sich gleich als Naturtalent herausstellte. Tanjiros Training unter Meister Urokodaki war hart. Tanjiro wurde auch nicht mit seinem ikonischen Mal auf seiner Stirn geboren, ganz anders als sein eigener Vater, der zudem den Hinokami Kagura Tanz einen ganzen Tag lang ohne Probleme ausführen konnte, obwohl er von einer schweren Krankheit befallen war. Tanjiro hat sein Mal erst beim Kampf gegen den Hand-Dämon erhalten und er kann den Hinokami Kagura Tanz, der sich als Atem-/Schwertkampf-Technik herausgestellt hat, auch nur einige Minuten lang ausführen, bis ihm buchstäblich die Puste ausgeht. Tanjiro würde nicht ganz in der Liga eines Auserwählten oder Naturtalents spielen, aber er bemüht sich außerordentlich.

 

Tanjiros Weigerung Dämonen gänzlich zu entmenschlichen hat etwas sehr jedihaftes an sich, denn auch der Jedi-Orden sieht sich dem Versuch verpflichtet zu rehabilitieren, anstatt zu töten. Wenn Tanjiro einen Dämonen tötet, dann nicht aus Rache oder Wut, sondern weil es keine Möglichkeit gibt ihn zu rehabilitieren. Doch selbst dann hat er Mitgefühl für den zum Tode verurteilten. Gerade in Richtung des Finales (des Mangas) gibt es Konfrontationen in denen mich Tanjiro an jemanden wie Obi-Wan Kenobi erinnert. Seine Standhaftigkeit lässt ihn alles ertragen, was der Dämon auszuteilen in der Lage ist und genau dieser Wille und Tanjiros Mitgefühl wirken auf seinen Gegner soweit ein, dass er sich seiner verdrängten Vergangenheit erinnert. Obi-Wan Kenobi hat in gefühlten dutzenden Duellen mit Asajj Ventress stets ihren Angriffen widerstanden und sich trotz ihrer Verbrechen nie dazu reizen lassen, ihr mit Wut oder Ärger gegenüberzutreten, um sie niederzustrecken. Kenobi war vielleicht stellenweise nicht ganz überzeugt, dass man sie bekehren könnte, aber er schrieb diese Idee auch nie ganz in den Wind. Anders als Anakin und viele andere Jedi, die Asajj wohl genauso als seelenlose Gegnerin betrachteten wie die von ihr kommandierten Kampfdroiden. Am Ende gelang es Obi-Wan zwar nicht Asajj vollkommen zu bekehren, aber sie wandte sich durchaus von ihrem Pfad als Jedi-Killerin ab. Praktisch war es Obi-Wan gelungen sie vom Weg der Sith abzubringen, auch wenn er sie nicht von der dunklen Seite befreien konnte.

 

Das größte Problem, dass Tanjiro Kamado als Jedi-Ritter hätte, wäre jedoch seine starke Bindung an seine Schwester. Als ältester Sohn der Familie wurde Tanjiro nach dem Tod seines Vaters in die Rolle des Beschützers der Kamados versetzt, eine Rolle die er willig angenommen hat. Für einen Jedi-Ritter erscheint das auf den ersten Blick mit dem Jedi-Kodex unvereinbar, aber dann haben wir wieder einmal Obi-Wan Kenobi, der sich nach Qui-Gon Jinns Tod ebenso als Vater-Ersatz für Anakin anbot, obwohl er eher dessen großer Bruder gewesen wäre. Obi-Wans Verhältnis zu Anakin war nicht einfach eine Meister-Schüler-Beziehung, denn durch Anakin erfüllte Obi-Wan auch den letzten Wunsch seines Mentors. Es gibt aber auch ein Beispiel für ein Geschwister-Team auf der dunklen Seite, in der Gestalt von Maul und Savage Opress, die beide gewissermaßen durch Alchemie wiedergeboren wurden. Gerade bei Savage ist der Einfluss der Magie Mutter Talzins unverkennbar. Als normaler Nachtbruder war er nur der fähigste Kämpfer seiner Generation gewesen und es waren seine überlegenen (Macht-)Instinkte, die ihm halfen Asajj Ventress tödlichen Auswahlprozess für einen geeigneten "Sith-Schüler" zu überstehen. Erst Talzin verwandelte Savage jedoch in einen muskelbepackten und min. einen Kopf größeren Hünen, der es selbst ohne Macht-Ausbildung und nur mit einer Streitaxt bewaffnet mit einem Jedi-Meister, dessen Padawan und den umstehenden Klontruppen aufnehmen konnte. Solche "übermenschliche" Transformationen lassen sich in meinen Augen mit der Verwandlung in einen Dämonen vergleichen, auch wenn es Savage und Maul erwiesenermaßen nicht möglich war verlorene Körperteile zu regenerieren.  Im Fall von Savage würde ich aber doch dafür argumentieren, dass ihm seine Transformation auch eine erhöhte physische Widerstandsfähigkeit oder beschleunigte Wundheilung verschafft hat. Die Magie der Nachtschwestern ist im Gegensatz zur Sith-Alchemie der Legends ja eher doch eine Methode die lebendige Macht für physische Auswirkungen zu mobilisieren. Was die Nachtschwestern kanonisch können (darunter auch Verstorbene als Zombies wiederbeleben) hätte sich ein Darth Plagueis in den Legends noch gewünscht. So gesehen würde ich argumentieren, dass der neue Kanon bereits vor einiger Zeit bewiesen hat, dass auch er "Machtfähigkeiten" enthält, die sich mit den fantastischsten Beispielen der Legends messen können (man müsste nur noch  den Level von Naga Sadows durch Sith-Magie ausgelöste Supernova oder Darth Nihilus Verschlingen der Lebensenergien eines ganzen Planeten erreichen). Weil wir aber schon bei Savage und Maul sind, dieses Duo hat Obi-Wan Kenobi auch einiges Leid zugefügt und trotzdem haben sie es nicht geschafft den Jedi-Meister zur dunklen Seite zu verleiten. Kenobi vermochte es zwar nicht, allzu viel Nächstenliebe gegenüber Maul zu zeigen, vor allem nachdem dieser Adi Gallia und später Herzogin Satine ermordet hatte, aber er stieß Maul immer wieder dadurch vor den Kopf, dass er ihm die Nachteile der dunklen Seite vorhielt. Hätte Obi-Wan nur mehr Zeit mit den Gebrüdern gehabt. Als Savage stirbt, verwandelt er sich in sein altes Ich zurück, dass nichts weniger wollte als seinem verlorenen Bruder zu helfen - ein Moment in dem sich sogar der "Dämon" Savage Opress wieder von seiner humanen Seite zeigen konnte. So wie Tanjiro seinen "Opfern" für ihre Taten vergibt und sie in ihren letzten Momenten begleitet, kann man auch Obi-Wan für seinen letzten Moment mit Maul bewundern. Obi-Wan besiegt Maul in der Wüste Tatooines mit nur einem einzigen Hieb - regelrecht samuraihaft. Und er hält den sterbenden Maul daraufhin in seinen Armen, damit er dem Tod nicht alleine gegenübertreten muss. Obi-Wan verrät Maul sogar, dass die Hoffnung noch lebt und er von Luke Skywalker gewissermaßen gerächt werden wird. Dieses Szenario wird sich jedoch anders zutragen als es selbst Obi-Wan noch erwartet hat, denn Obi-Wan drängt Luke in der OT ja vorwiegend darauf Darth Vader zu töten, da er Anakin für unerreichbar hält. Luke hat jedoch eine Tendenz die traditionellen Vorstellungen des Jedi-Ordens zu brechen und Imperator Palpatine seine SchülerInnen abspenstig zu machen. Ohne zuviel von künftigen Demon Slayer Anime-Staffeln zu spoilern, es gibt Dämonen die auch ein Tanjiro Kamado nicht durch sein Schwert besiegen wird.