· 

Uncharted: The Lost Legacy (Review)

Uncharted: The Lost Legacy ist ungefähr das, was Spider-Man: Miles Morales zu Insomniacs Spider-Man ist, eine Art Sequel/Spinoff-Standalone, das aber im Gegensatz zum "Hauptspiel" deutlich verkürzt wurde... 

Vielleicht hätte man die Uncharted: Legacy of Thieves Collection eher als Uncharted 4 Collection bezeichnen sollen, denn The Lost Legacy ist zwar ein Standalone, führt mit Sam Drake aber auch dessen Geschichte aus Uncharted 4 fort, was an sich schon ein kleiner Uncharted 4 Spoiler sein könnte. Die Reise führt diesmal (ausschließlich) in einen mehr oder weniger abgelegenen Teil Indiens und beinhaltet damit keine ganz so krassen Unterschiede in Wetter und Umgebung. Und wie das Cover schon zeigt fehlt von Nathan Drake diesmal jede Spur, stattdessen wird man in die Rolle von Chloe Frazer schlüpfen, der (wieder so ein Uncharted 4 Spoiler) von Nadine Ross assistiert wird. Statt Nate und Sam sind es diesmal Chloe und Nadine, die sich gegenseitig helfen abgerissene Leiter oder zu hohe Wände zu erklimmen.

 

Der Perspektivenwechsel von Nate zu Chloe ist auch schon eines der Probleme der Uncharted Collection bzw. der Vergleichsmöglichkeit von Chloe und Nate. Als jemand der als PC-Spieler nun nur Uncharted 4 kennt habe ich nicht reichlich Material, um Chloe und Nate als Protagonisten ausgiebig zu vergleichen. Zudem fehlt mir ohne Uncharted 2 auch ein Eindruck davon, wie Chloe ursprünglich in das Franchise eingeführt wurde. Meine Betrachtungen sind für Uncharted-Veteranen daher vielleicht etwas kurios, da ich mich praktisch vom aktuellen Endpunkt des Franchise ausgehend an einer Bewertung versuche.

 

Auf mich wirken Chloe und Nate zunächst sehr unterschiedlich. Chloe ist in meinen Augen verschlagener als Nate in Uncharted 4 und auch etwas skrupelloser. Verglichen mit Chloe im Early Game ist sogar die Ex-Söldnerin Nadine Ross ein eher heldenhaft-naiver Charakter. Chloe scheint auf den ersten Blick etwas härter und mehr auf tatsächlichen Gewinn aus zu sein als Nate. Innerhalb der Story erlebt sie aber auch eine gewisse Entwicklung, denn den Schatz des Hoysola-Königreichs zu finden war einst die Lebensaufgabe ihres Vaters. Was bei Uncharted 4 noch wie eine Nebenerscheinung wirkte, wird diesmal jedoch etwas deutlicher betont - Chloe und Nadine befinden sich praktisch in einem Kriegsgebiet und haben mit Rebellen und Söldnern unter dem Kommando des Pseudo-Intellektuellen Asav zu tun. Die Panzerfahrzeuge und bewaffneten "Klontruppen" sind also etwas mehr gerechtfertigt. Das Uncharted 4-Spinoff hat auch das, was ich von Uncharted 4 erwartet hätte - es kommt sogar zu einem Kampf gegen einen Hubschrauber. Und einer Verfolgungsjagd mit einem Zug, aber der Hubschrauber hat sich mir als Klischee des Action-Genres deutlich stärker eingebrannt.

 

Die Story ist auf jeden Fall kürzer als in Uncharted 4 und ich würde sogar argumentieren, dass sie nicht ganz so "kinoreif" auf mich wirkte wie das Hauptspiel. Es gab gefühlt auch mehr Passagen in denen unklar werden konnte wie man weiter klettern soll und einige Umgebungselemente waren überraschenderweise nicht zum Klettern nutzbar. Dafür ist vieles auch mehr komprimiert und man hat sich gefühlt einige Wendungen gespart.

 

Asav als Bösewicht ist irgendwie genauso farblos wie das Millionärs- oder Milliardärssöhnchen aus Uncharted 4 (dessen Name ich sogar vergessen habe), auch wenn er aus rein kosmetischen Gründen eine Brille trägt und behauptet er sei einer der Nachfahren der Könige von Hoysola. Asavs "Bürgerkrieg" wird nicht sonderlich gut erklärt und scheint mir nur eine billige Kulisse abzugeben. Aus ähnlichem Mangel an Ideen hat man in Indiana Jones wahrscheinlich auch immer wieder Nazis verwendet. Man merkt es vielleicht, ich bin nicht ganz zufrieden mit The Lost Legacy.

 

Es liegt definitiv nicht an den "Verbesserungen" wie den Waffen mit Schalldämpfer (die Pistole war echt nützlich, leider verliert man wieder einmal regelmäßig sein Arsenal) oder dem vereinfachten Jeep-Gameplay. Chloe als Protagonistin war wirklich spaßig, denn im Gegensatz zu Nate schien sie eine Hintergrundgeschichte und Abgebrühtheit mitzubringen, die zumindest in mir das Verlangen nach mehr geweckt haben. Und dann hat sie sich als Sidekick auch noch Nadine Ross ausgewählt, die seit Uncharted 4 die Führung der Söldnergruppe Shoreline verloren hat. Nadine braucht das Geld, ist aber für eine Söldnerführerin erstaunlich wenig mit der Welt und Arbeit von Schatzsuchern vertraut. Gerade mit Chloes sarkastischen Bemerkungen muss sich erst anfreunden. Man merkt ihr die schwierige Eingewöhnungsphase noch richtig an, aber Nadine ist zugleich auch bestens für die Rolle des kämpferischen Sidekicks vorbereitet. Sie hat zudem die persönliche Connection zu ihrem einstigen Untergebenen Asav und dessen Shoreline-Connections. Verglichen damit ist der Hoysola-Job für Chloe nur wegen der Vorarbeiten ihres Vaters von größerer Bedeutung.

 

Unterm Strich ist für mich Uncharted 4 das bessere Spiel, The Lost Legacy hatte mit Chloe und Nadine aber sehr interessantes Potential und vielleicht wird man die beiden ja noch weiter befördern und zu den Protagonistinnen eines Uncharted 5 aufsteigen lassen.