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TRON: Identity (Review zum 1. Playthrough)

TRON: Identity ist mit Sicherheit eine der kürzesten Visual Novels auf die ich bisher gestoßen bin und daher vielleicht auch ein guter Einstieg in das Genre...

Die Ankündigung einer TRON Visual Novel hat mich sehr überrascht und war dann natürlich auch gleich ein Must Have für mich. Auch wenn ich das TRON-Franchise nur aus diffusen Erinnerungen an den ursprünglichen TRON-Film und das visuell höchst beeindruckende TRON Legacy kenne, so hat diese Welt für mich einen gewissen Charme, was vielleicht auch an der Science Fiction-haften Ästhetik und Thematik liegt. Das ganze ist praktisch auch eine der Inspirationsquellen für die Matrix, nur eben ohne menschliche Batterien oder einen endlosen Krieg in der realen Welt. TRON verfolgt hingegen die interessante Idee, dass der Programmierer Kevin Flynn (Jeff Bridges) einst eine "virtuelle" Welt mit einer menschenähnlichen Bevölkerung entdeckt bzw. versehentlich geschaffen hat. Diese Welt ist das Raster bzw. der Grid.

 

TRON ist nun kein Franchise von der Dimension eines Star Wars oder Star Trek und es fehlt eine Instanz, welche die Kontinuität sicherstellen muss, sodass gewisse Widersprüche und unngeklärte Fragen zur Lore existieren können. Ich sehe das aber auch ein wenig als Chance, denn so kann man selbst als Quereinsteiger, der vielleicht nur über einen Film oder die Prämisse zu TRON Identity gefunden hat in das Spiel einsteigen.

 

Was TRON Identity nun durch eine gewisse Ironie für mich interessant macht ist der Fakt, dass TRON an sich schon eine isekai-Story (versetzt in eine andere Welt) war und man nun in einer Visual Novel von dieser Welt ohne die User erzählt. Story und Universum passen für mich perfekt zum Medium, der Visual Novel, da isekai-Geschichten und Visual Novels beide in Japan hoch im Kurs stehen. TRONs Optik und Vergangenheit als Hollywood-Film (nun im Besitz von Disney) sind jedoch ein Gegensatz zu dem was man von "japanischen Visual Novels" erwarten würde, denn ohne die Anime-Optik ist das Genre oberflächlich für viele schon gar nicht mehr das gleiche. TRON Identity wurde vom britischen Indie-Studio Bithell Games entwickelt, weshalb ich das Spiel zum besseren Verständnis der Intentionen des Schöpfers auch auf Englisch gespielt habe.

 

Die Story von TRON Identity beginnt damit, dass der Protagonist QUERY nach einer Explosion in der LIBRARY beauftragt wird Ermittlungen zu dieser zu eröffnen. QUERY ist wie sein Name schon verraten sollte ein Detektiv und diese sind in der Welt von TRON Mitglieder der Disciples of TRON, welche sich eigentlich auch als unparteiisch zu verhalten hätte - was im Spiel aber den Entscheidungen des Spielers bzw. QUERYs überlassen bleibt.

 

Im Grunde ist die Story von TRON Identity eher kurz (mein erster Playthrough dauerte etwa nur 2,8 Stunden) und sie könnte noch kürzer sein, wären da nicht die mit dem Identity-Titel verbundenen Identity-Discs. Man darf als QUERY nämlich ein Minigame spielen, bei dem es darum geht diese Discs zu "Defragmentieren" und so verlorene oder korrumpierte Erinnerungsdaten wiederherzustellen. Dieses Minigame kann beiweilen ziemlich lästig werden, primär geht es dabei darum die gleichen Zahlen und Symbole miteinander zu verbinden und so aufzulösen. Allerdings kommen im Verlauf der Story diverse Hindernisse hinzu.

 

Das wirklich interessante ist allerdings die Story an sich, die man mit seinen Entscheidungen auch steuern kann. Bedeutsame Entscheidungen werden sogar im Questlog notiert und sind danach einsehbar. Ein erster Playthrough wird es einem noch nicht ermöglichen, alle Rätsel zu lösen oder gar zu entdecken. Ich kann von meinem aber behaupten, dass ich das erste entdeckte Ende sehr interessant gefunden habe. Nur leider war es da schon vorbei. Ich verstehe seither, warum manche Steam-Reviews beklagen, das Spiel fühle sich nur wie ein Chapter 1 oder überlanger Prolog an. Am Ende wird man Erkenntnisse besitzen, die in-universe erfordern könnten, dass man etwas mit ihnen macht. Und man kann, wie schon angedeutet, ja auch seinen Eid als Disciple of Tron brechen - was ebenfalls Konsequenzen haben sollte, wir werden mit diesen aber nicht konfrontiert.

 

Es hätte sich für mich vor dem Kauf wahrscheinlich gelohnt, die diversen Pre-Release-Infos genauer zu studieren, denn ich habe mich eher blind in diese Detektiv-Story gestürzt. So bekam ich das World Building eher am Rande und durch die Charaktere mit, so als hätte mein QUERY gar nicht gewusst, um was es sich bei diesem GRID handelt. Wobei vielleicht passt das auch zu einem Programm, dass seine Welt und Existenz normalerweise nicht in Frage stellt, außer es bekommt einen Auftrag dazu. So wurde mir erst am Ende des Spiels klar, dass dieser GRID eine Sicherheitskopie ist, in der Flynn einen Teil des ursprünglichen Grids (inklusive seiner Bewohner, wie der ISOs aus TRON Legacy) vor CLU bewahren wollte. Seither ist jedoch einige Zeit vergangen und nachdem Flynn im ursprünglichen Gridja gestorben sein könnte (wie der Film andeutet) blieb die Sicherheitskopie des Grid sich selbst überlassen. So kann man auch ein Paralleuniversum bzw. eine separate Timeline schaffen.

 

Die Zivilisation dieses Grid ist zwar frei von CLU, aber nicht ganz ohne Probleme. So gibt es Spannungen zwischen den menschenähnlichen Programmen und den abseits von deren Hauptstadt lebenden Automata, Programmen die sich nicht länger an die von den Usern vorgegebenen Formen halten und generell an der Existenz der mythischen User zu zweifeln begonnen haben. Innerhalb des Repository scheint man sich zudem damit zu beschäftigen, Daten in Form der Datenbäume zu "kultivieren", was auch andeutet man würde manche Triebe zurückstutzen. CORE scheint da nicht ganz sauber zu operieren und sich auch gegen die Anarchie von Rebellinnen wie PROXY oder den Automata zu stellen. Man hat zwar Clu und dessen Wunsch nach einem perfekten Grid hinter sich gelassen, aber im Kern der Zivilisation dieses Grid scheint sich ebenfalls autoritäres Gedankengut zu entwickeln.

 

All das ist SciFi wie man es kennt und liebt, aber die Schlacht um die Zukunft des Grid wird scheinbar nicht innerhalb dieser Story geschlagen. Jedenfalls gelang es mir in meinem Playthrough nicht. Der Cast ist für ein größeres Szenario vielleicht auch zu beschränkt. Mit Grish, Prinz, Ada, Sierra, Cass und Proxy begegnet man zwar einigen interessanten Persönlichkeiten, aber selbst Prinz ist als Administrator des Repository nur ein Funktionär, der vom körperlosen CORE scheinbar auch wieder ersetzt werden kann. Was TRON Identity fehlen kann ist ein befriedigendes Finale, denn mit den Ermittlungen endet praktisch auch die Erzählung. Das macht es etwas schwierig die Geschichte zu lieben, denn sie greift nun doch zu kurz.

 

Für TRON-Fans ist die Visual Novel etwas, das ich durchaus empfehlen würde und auch als SciFi-Fan kann man hier etwas Unterhaltung für 2-3 Stunden finden, die Frage ist nur für welchen Preis, denn die aktuellen € 14,99 (auf Steam) sind wahrscheinlich nicht das beste Preis-Leistungs-Verhältnis für jedermann. Mich hat der Preis nicht so sehr gestört, da ich ursprünglich gar nicht wusste, was da auf mich zukommt. Zeitweise befürchtete ich sogar schon, das Spiel wäre primär auf den Disc-Puzzles aufgebaut und hätte viel weniger Story zu bieten. Nach dem ersten Playthrough würde ich die Story aber noch nicht als weltbewegend einstufen und die Disc-Puzzles stören mich ehrlich gesagt auch. Langfristig wird sich TRON Identity vermutlich nicht als der große Burner entpuppen. Ich vermute es wird eher ein nettes Nischenprodukt bleiben, aber ich möchte doch den Einsatz der Entwickler würdigen, die visuell und erzählerisch eine stimmige Geschichte abgeliefert haben.