Virtuelle Realität und künstliche Intelligenz, in einer Kombination, die es sogar möglich macht sich mit den Avataren Verstorbener zu unterhalten, klingt mittlerweile gar nicht mehr so weit her geholt...

Den Titel "Vergessen, unvollendet, aber kaum irrelevant" hätte ich auch gerne für die Terminator: Sarah Connor Chronicles verwendet, aber diese scheinen mir durch die zahlreichen Terminator-Reboots mittlerweile als etwas weniger relevant geworden zu sein, so dass ich mich noch nicht zu einem Rewatch motivieren konnte. Bei Caprica liegt die Sache etwas anders, denn ein Reboot der Mutterserie (Battlestar Galactica - die selbst ein Reboot der in unseren Breiten eher als "Kampfstern Galactica" bekannten Originalserie war) steht noch aus, außerdem juckt mich bei allerlei der aktuellen "KI-Geschichten" in den Medien die Erinnerung an Caprica.
Caprica setzt mehr oder weniger eine Generation vor dem großen Konflikt der Zwölf Kolonien und der Zylonen an, sogar der spätere Commander Adama ist noch nicht geboren. Man hat versucht sich auch stilistisch von der Mutterserie zurückzuentwickeln, das Design der Welt von Caprica aber auch etwas an unsere Gegenwart (damals 2010) heranzuführen. Caprica sollte nicht alienhaft aussehen, sondern uns auch sehr klar an unsere Welt erinnern. Wie bei Firefly kam man am Ende leider nicht über die erste Staffel hinaus und das obwohl man noch große Pläne hatte. Firefly wurde noch mit dem Film Serenity erweitert und provisorisch abgeschlossen, Caprica war dieses Glück jedoch nicht vergönnt. Mich erinnert das Schicksal der Serie auch an Terminator: SCC da diese Serie auch zur fast gleichen Zeit erschien und nach 2 immer besser werdenden Staffeln gecancelt wurde, ebenfalls noch ehe wirklich groß angebahnte Ereignisse stattfinden konnten.
Indirekt ist Caprica auch ein Erbe des Science Fictions der 90er-Jahre, da Showrunner Ronald D. Moore langjähriger Producer von Star Trek-Serien war, insbesonders Deep Space Nine, das ich gerne mit Babylon 5 vergleiche. Religiöse Fragen wie in B5 oder DS9 sind auch etwas, dem Caprica nicht entgehen kann, denn aus den polytheistischen Zwölf Kolonien gingen die monotheistischen Cylonen hervor und die Serie versuchte sich auch der Herkunft dieses Umstands zu widmen. Gerade zu Beginn von Caprica spielt aber auch monotheistischer Terrorismus eine Rolle, etwas das damals noch unter den Vorzeichen von 9/11 und Terroranschlägen bis 2010 stand. Heute sieht man die Radikalisierung gerade jugendlicher Terroristen vielleicht schon mit etwas anderen Augen.
Die Serie beginnt jedenfalls mit einer großen Tragödie, in welcher ein monotheistisch motivierter Terroranschlag das Leben von Zoe Graystone und Tamara Adama beendet. Die am Anschlag nicht ganz unschuldige Zoe ist die Tochter des Tech-Moguls Daniel Graystone, die unbeteiligte Tamara die des Rechtsanwalts (und späteren Vaters des Commanders William "Bill" Adama) Joseph Adama. Während beide Väter ihren Töchtern nachtrauern und so zueinander finden, nimmt jedoch eine technologische Entwicklung ihren Lauf, die auf Zoe selbst zurückgeht. Noch vor ihrem Tod hat sich Zoe einen empfindungs- und denkfähigen digitalen Avatar ihrer selbst geschaffen und in einer Online-Umgebung geparkt. Als ihr Vater diese "Zoe" entdeckt sieht er eine Chance gekommen, seine Tochter von den Toten zurückzubringen, aber er bietet die Möglichkeit einer solchen Wiederauferstehung auch Joseph Adama an, von dem er sich Hilfe bei seiner Arbeit an einem Projekt für das Militär erhofft. Im Fall von "Tamara" wird jedoch statt einem direkten Upload die Einspeisung digitalen Referenzmaterials notwendig, sie ist also anders als Zoe eine eher voll-digitale Wiedergeburt und als solche nicht ganz ohne Lücken, immerhin hat sie vielleicht nicht alles ihrer Persönlichkeit online oder in digitalisierbarer Form preisgegeben. Der Horror von Tamaras "Wiedergeburt" wird schließlich auch ihrem Vater bewusst und anders als Graystone will Adama diesen Weg nicht weiterverfolgen, aber einmal erschaffen bleibt die digitale Tamara bestehen. Währenddessen geraten die Verbindungen Zoes zum terroristischen Anschlag ans Licht und Graystone steht unter Druck seinen Geldgebern einen Prototypen für eine multifunktionale Roboter-Plattform für das Militär zu präsentieren. Zoe Graystones Durchbruch in Sachen künstlicher Intelligenz zieht die Geburt der Cylonen nach sich...
Das ist natürlich noch nicht alles, denn die Graystones müssen sich mit Eheproblemen und öffentlichen Backlash aufgrund von Zoes Dopppelleben als Terroristin herumschlagen, während Zoes einstige Freunde herausfinden, dass sie noch weiterexistiert. Gleichzeitig ist Joseph Adama damit konfrontiert, dass sein zweitgeborener Sohn auf die gleiche schiefe Bahn zu geraten droht, wie sein Onkel. Die kriminelle Unterwelt, militärische Konflikte innerhalb der Zwölf Kolonien und das Florieren einer monotheistischen Untergrund-Bewegung runden das Gesamtbild ab, nur kommen am Ende leider nicht alle losen Fäden zu einem halbwegs befriedigenden Ende. Caprica war für mehr ausgelegt, aber es stellt durchaus einige interessante Fragen: etwa wie Angehörige auf die digitalen Reinkarnationen Verstorbener reagieren können und ob und wie weit diese noch dem Original entsprechen. Eine zentrale Frage kann die Serie am Ende jedoch nicht mehr beurteilen, nämlich den Auslöser für den Krieg zwischen Menschen und Cylonen: wenn man einer künstlichen Intelligenz die Fähigkeit zu Denken und zu Fühlen wie ein lebendes Wesen, macht man dieses damit nicht zu einem gleichberechtigten "Lebewesen"? Die Cylonen entschieden diese Frage für sich mit einem klaren Ja und erklärten der Menschheit den Krieg, da sie von organischer Seite her nur Ablehnung und Versklavung erwarten konnten. Jedenfalls gehe ich von dieser Variante aus, denn die genaue Geschichte konnte ja nicht mehr erzählt werden.