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Trails of Cold Steel: wie Harry Potter mit weniger Magie und mehr Politik

Aber es ist ein JRPG...

JRPGs sind nicht jedermanns Sache und die The Legend of Heroes: Trails-Serie ist auch eine der ziemlich langen und eng miteinander verbundenen, sodass man sie nicht umsonst gerne als das Marvel Cinematic Universe-Äquivalent des JRPG-Genres bezeichnet. Was mich zu Trails of Cold Steel führte war seinerzeit Persona und die Suche nach einem anderen Spiel wie Persona, also auch mit rundenbasiertem Kampfsystem, tiefschürfender Story und einer Crew, die man näher kennen lernen kann. Auf der Suche nach solchen "Personalikes" stieß ich natürlich auf Cold Steel, bei näherem Hinsehen stellte sich jedoch heraus, dass die Fangemeinde nicht dazu rät, gleich mit Cold Steel einzusteigen, denn das Spiel ist der sechste Teil einer ganzen Spieleserie. Das schreckt natürlich zunächst ab, denn wie bei Yakuza/Like a Dragon glaube ich auch nicht daran, dass man einfach bei jedem Teil der Reihe oder gar erst in Yakuza 7 einsteigen sollte. Die alten Spiele, wie Yakuza 3-5 waren für mich jedoch oft nur mit viel Widerwillen spielbar. Trotzdem sehe ich die persönliche Erfahrung mit der Story dieser drei Teile auch als unverzichtbar an, eben wegen der Charaktere und Story Arcs, die dort eingeführt wurden und später halt auch wieder aufgegriffen und weitergeführt werden. Um an Cold Steel 1 (Cold Steel selbst ist mittlerweile eine Tetralogie bzw. Quadrologie) zu kommen habe ich letztes Jahr mit dem Liberl-Arc (der Trails in the Sky-Trilogie) begonnen und dieses Jahr auch den Crossbell-Arc (eine Duologie aus Trails from Zero und Trails to Azure) abgeschlossen, sodass mir nichts im Wege stand: ich konnte mich endlich Trails of Cold Steel 1 widmen.

 

Gleich vorweg zur Frage, ob sich das Warten für mich ausgezahlt hat: Ja, mehr dazu später.

 

Der Crossbell-Arc hat mich nach Liberl fast schon tief beeindruckt, denn ein JRPG mit soviel politischen Verwicklungen (Crossbell soll laut dem Chef-Entwickler eine Mischung aus Österreich und Thailand in der Zeit des Zweiten Weltkriegs sein) und interessanten Charakteren hätte ich nicht erwartet, egal wie sehr es in einschlägigen Reviews oder vom Fandom hoch gelobt wurde. Schon in Liberl gab es politisch-historische Komponenten des Plots die ich sehr interessant fand, aber da schien mir noch das klischeehafte Abenteuer mit dunklen Mächten, Geheimgesellschaften und den Artefakten einer Vorgängerzivilisation im Mittelpunkt zu stehen. Der an sich glaubwürdige Militärcoup in Liberl hielt mich zwar effektiv bei der Stange, aber er riss mich lange nicht so mit, wie Crossbells Unabhängigkeitserklärung.

 

Trails of Cold Steel 1 ist im Gegensatz zu den fünf Vorgängern ein Spiel in 3D-Perspektive, also fast wie ein Persona 5 Royale oder Metaphor: reFantazio. Die Grafik ist ähnlich gestaltet, ebenso wie das Voice Over. Es ist eben ein JRPG und arbeitet auch mit einigen Klischees wie man sie aus Anime oder Manga kennt.

 

Cold Steel 1 beginnt während der Ereignisse aus Trails to Azure und deckt den Zeitraum bis zur Unabhängigkeitserklärung Crossbells ab, die Ereignisse danach sind Teil von Cold Steel 2, welches dann wohl das Ende von Trails to Azure erreichen wird.

 

So gesehen kennt man bereits einige der Plotpunkte, auf welche der Kontinent Zemuria in Cold Steel 1 zusteuern wird, wenn man Trails to Azure gespielt hat. Aber man erlebt die Dinge von der anderen Seite der Grenze aus und noch dazu aus der erebonischen Persepktive. Erebonia war in den Trails-Spielen für mich bis Cold Steel 1 vor allem eines: der Aggressor. Die an Preußen/dem Deutschen Reich angelehnte Großmacht hatte schon den 100-Tage-Krieg gegen Liberl geführt, der Estelles Mutter das Leben kostete und ihren Vater Cassius Bright zum Kriegshelden werden ließ. Und Erebonia war die expansive und drängende Macht, die Crossbells fragilen inneren Frieden am stärksten gefährdete. Mit einem "Blood and Iron"-Kanzler hat Erebonia auch ziemlich klare Anklänge an Bismarck, nur dass dessen erebonischer Kollege ein weit verschlagenerer und aggressiver Charakter ist. Da erinnert mich Osborne eher an Norman Osborn als New Yorker Bürgermeister in Insomniacs Spider-Man-Spiel. Klischeehaft, ich weiß, aber die Bezeichnung der Trails-Spiele als MCU ist nicht aus der Luft gegriffen.

 

Nach fünf Spielen hätte man angenommen, Erebonia unter Osborne, das sind die Bösen. Aber wie man anhand von Charakteren wie Mueller Vander und Prinz Olivert schon beobachten konnte, sind nicht alle Erebonier skrupellose Imperialisten. Die beiden könnten aber die Ausnahme gewesen sein, wenn man dann den Crossbell-Arc her nimmt, in welchem die erebonische Mafia und der aus Erebonia abstammende und finanzierte Sprecher des Repräsentantenhauses wiederum unzweideutige Schurken sind. Zudem gilt Erebonia als das Land in welchem die Bracer-Gilde beinahe in die Illegalität gedrängt wurde und nur noch in einigen Filialen am Rande des Reichs aktiv sein darf.

 

In Cold Steel 1 wird man nun als Rean Schwarzer an die Thors Militär-Akademie geschickt, also die oder zumindest eine der wichtigsten Kader-Schmieden Erebonias. Dabei stellt man auch schnell fest, wie sehr Erebonia noch gesellschaftlich gespalten ist. Adelige und Bürgerliche besuchen getrennte Klassen, tragen unterschiedliche Schuluniformen und die vier Herzöge des Reichs dürfen sogar unabhängig vom kaiserlichen Militär ihre eigenen Provinz-Armeen unterhalten. Zwischen der Adels-Fraktion (angeführt von den Herzögen) und den Reformern (unter Osborne) bestehen massive Spannungen und das Kaiserhaus selbst ist so macht- und kraftlos, dass es die beiden Machtblöcke immer weniger zum Zusammenhalt bewegen kann. In diesem angespannten Klima kommt es in Thors nun zur Einrichtung der ersten gemischt-klassigen Schulklasse. Neben den beiden Schulklassen für Adelige und den 3 Klassen für Bürgerliche wird es künftig auch die "Class VII" (man überspringt die VI einfach) geben, in der Adelige ebenso wie Bürgerliche zusammengefasst und zur Zusammenarbeit erzogen werden sollen. Dafür darf Class VII auch eine dritte Uniformvariante tragen und besucht regelmäßig dem Teambuilding gewidmete Exkurse.

 

Exkurse? Ähnlich wie die Special Support Section in Crossbell übernimmt Class VII typische Bracer-Aufgaben, was in diesem Fall allerdings etwas verständlicher erscheint, da Erebonia die Bracer derart an den Rand gedrängt hat, dass es kaum noch jemanden gibt, der sich politisch neutral verhält und Monster- oder Banditensichtungen nachgeht, soweit es nicht die eigenen militärischen Nachschublinien betrifft. In Erebonia verlaufen die Fronten klarer und die Probleme dieser Ordnung werden offensichtlicher, da es eben Spannungen zwischen den grundherrlichen und zentralstaatlichen Autoritäten gibt. Was fehlen würde ist eine einigermaßen unabhängige Gendarmerie, stattdessen gibt es nur die Truppen der Grundherren und die Railway Military Police (welche von Osborne gegründet wurde und auch das prestigeträchtige Eisenbahnnetz Erebonias schützen soll).

 

Die transkontinentale Eisenbahn spielte schon in Crossbell eine wichtige Rolle, aber dort eher nur, weil Crossbell eben eine Verkehrsdrehscheibe zwischen dem östlichen und westlichen Zemuria ist. In Erebonia ist die Eisenbahn jedoch so bedeutend wie Luftschiffe in Liberl oder Autos und Busse in Crossbell. Auf den ersten Blick wirkt Erebonia so fast rückständiger als seine beiden Nachbarstaaten, aber wirtschaftlich macht genau dieses Eisenbahnnetz Erebonia zur Supermacht. Waren- und Personentransfer über die Eisenbahnlinien ist kosteneffizienter als jener mit Luftfracht oder LKWs, gerade angesichts der Größe des Landes und seiner Expansion in eroberte Nachbarländer. Dementsprechend gilt Erebonias Reinford Company (vielleicht eine Mischung aus Rheinmetall und Ford) als größter Konzern Zemurias, auch wenn es mit der Zeiss Central Factory und der Epstein-Foundation Firmen gibt, welche technologisch ausgefeiltere Spitzenprodukte herstellen. Die Epstein Foundation scheint aber ohnehin fast eine Non-Profit zu sein, so als hätte Alfred Nobel kein Dynamit, sondern Nuklear-Energie erfunden und würde deren Weiterentwicklung durch eine Stfitung abgesichert haben. Selbst die im demokratischen Calvard beheimatete Verne Company muss sich jedenfalls mit einem zweiten Platz zufrieden geben, denn auch wenn Calvard (das Frankreich Zemurias) als zweite Supermacht neben Erebonia gilt, so dürfte sich Reinford doch den ersten Platz gesichert haben. Noch kenne ich den Calvard-Arc nicht, aber ich würde annehmen Reinfords Erfolg basiert auf Autoverkäufen oder auch der massiven Rüstungsausgaben der Provinz-Armeen UND der Zentralregierung.

 

Reinfords Rolle wird in Cold Steel 1 auch bereits relativ wichtig, da man durch Alisa Reinford einen Einblick in die Familiengeschichte hinter dem Konzern erhält und dazu gehört auch der Rücktritt von Alisas Großvater, nach dem Bau der massiven Artilleriegeschütze nahe der Grenze zu Crossbell. Die Garellia Fortress und ihre Kanonen waren etwas, das ich zuvor eher nur beiläufig wahrgenommen habe, aber hinsichtlich ihrer destruktiven Kapazitäten wohl auch unterschätzt habe. Die Reichweite der Kanonen ist laut Cold Steel jedenfalls so hoch, dass man ganz Crossbell in Schutt und Asche legen könnte, um ein ein Vorrücken Calvards zu verhindern. Verbrannte Erde. Eine Zivilbevölkerung derart als Kollateralschaden zu behandeln (immerhin ist Crossbell eine der größten Metropolen des Kontinents) grenzt an eine Verletzung der Genfer Konvention, aber ein vergleichbares Vertragswerk scheint es in Zemuria nicht zu geben. Pseudo-Frankreich und Pseudo-Deutschland können sich also ziemlich ungehindert an die Gurgel gehen, ohne aus einem Völkerbund oder Internationalen Gerichtshof austreten zu müssen. Diese Verbindung von Festungsbau wie im 19. Jahrhundert mit Waffen des 20. Jahrhunderts - Orb-Artilleriegranaten könnten sich mit Napalm- oder Nuklear-Sprengköpfen vergleichen lassen - spricht aber auch für das World Building in Trails, wo eine prä-industrielle Gesellschaft vor 70 Jahren durch die Wiederentdeckung quasi-magischer Orb-Technologie in eine Steampunk-artige Zukunft katapultiert wurde, in der man von Kohle statt auf Benzin und Diesel gleich zu tragbaren Mini-Generatoren umgestiegen zu sein scheint. Vielleicht finden hier japanische Eindrücke aus der Meiji-Restauration ihren Wiederhall, denn die plötzliche Öffnung gegenüber westlichen Technologien könnte sich für die Einwohner des zuvor isolationistischen Inselstaats ähnlich radikal gestaltet haben. Bei einem so radikalen technologischen Sprung bleibt vieles auf der Strecke und so auch in Zemuria, wo man eine Abkürzung vom 18. ins 20. Jahrhundert genommen hat.

 

Abgesehen von Alisa Reinford hat man aber auch noch andere Charaktere in Class VII - etwa Machias und Jusis. Machias Regnitz ist der den Adel hassende Sohn des ersten bürgerlichen Gouverneurs der Hauptstadt und somit so etwas wie die Verkörperung von Kanzler Osbornes Reform-Fraktion. Jusis Albarea ist wiederum der nachgeborene Sohn eines Herzogs und damit eigentlich der Adels-Fraktion zuzurechnen, zumal sein älterer Bruder und designierter Erbe des Herzogs-Titels der inoffizielle Sprecher dieses Machtblocks ist. Klar, dass es zwischen diesesn beiden zunächst nicht gut laufen kann, zumal Jusis seinen Status zunächst auch provokativ zur Schau trägt. Fast fühlt man sich bei Jusis an Draco Malfoy erinnert, falls dieser einen älteren Bruder hätte, der Voldemorts rechte Hand ist. So ganz ohne Charme ist Rufus Albarea aber auch nicht und er gehört für mich zu den Trails-Charakteren bei denen ich noch einige Überraschungen hinsichtlich ihrer Entscheidungen erwarte. Am Ende war ja auch Colonel Richard nicht ganz der Übeltäter, für den man ihn in Trails in the Sky 1 gehalten hätte. Lord Rufus könnte aber auch die Dieter Croix-Route gehen. Verglichen damit wirkt der aktuelle Herzog Albarea eher blass und unsympathisch. Machias und sein Vater wirken in einer Gegenüberstellung mit den Albareas eher harmlos, auch wenn man Machias zutrauen würde, aus überschäumendem Enthusiasmus irgendwann etwas falsches zu tun. Aber man darf in Zemuria auch die stillen und sympathischen Charaktere nicht unterschätzen. Mit vier Spielen in diesem Arc gibt es reichlich Grund und Gelegenheit, dass es zu überraschenden Twists kommen kann.

 

Vielleicht sollte ich auch noch auf den Protagonisten eingehen, denn Rean Schwarzer ist immerhin der inoffizielle Anführer von Class VII - schon alleine weil er mit einem Fuß in beiden Lagern zu stehen scheint. Einerseits wurde Rean als Bürgerlicher geboren, andererseits hat ihn Baron Schwarzer als seinen Sohn adoptiert und damit zumindest dem Titel nach in den Adelsstand erhoben. So ganz einfach ist es jedoch nicht, wie man auch in der Story erfährt. Baron Teo Schwarzer ist nämlich auch kein Mitglied der Adels-Fraktion und wurde wegen Reans Adoption und seiner eigenen liberalen Ansichten schon oftmals von seinen adeligen Kollegen der Verachtung preis gegeben. Als Spieler weiß man zwar von Reans Status, gegenüber seinen Klassenkollegen hält er diesen jedoch zunächst geheim. Wie so oft in Trails kommen die Origin Stories und Geheimnisse der Protagonisten oft erst spät ans Licht und ich rechne damit, dass man nach Cold Steel 1 auch nur den ersten Teil der Wahrheit weiß. Wer waren etwa Reans wahre Eltern und was hat es mit seiner Narbe und den Visionen auf sich?

 

Für mich weniger zentral erschienen in Cold Steel 1 derweil die anderen Klassenmitglieder Fie Clausell, Laura Arseid, Elliot Craig, Emma Millstein, Crow Armbrust und Millium Orion. Man erfährt von allen zwar noch deutlich mehr, aber ihre Origin Stories haben mich in Cold Steel 1 jedenfalls noch nicht so stark bewegt, außer vielleicht bei Crow, aber das ist eine Geschichte die sich noch mindestens durch Cold Steel 2 ziehen könnte. Crow stößt spät zur Crew und die Enthüllung seines Geheimnisses ist ein massiver Cliffhanger, während wir fürs erste eigentlich kaum etwas von Millium erfahren. Man merkt an Cold Steel 1 stärker als an den Vorgängern, dass dieser Arc bereits im Vorhinein auf mehrere Parts aufgeteilt wurde und man nicht notgedrungen Plotpunkte verschieben musste. Das ganze hat aber auch irgendwo den Effekt, dass man in Cold Steel 1 schon beginnt den oder die jeweiligen Antagonisten zum entsprechenden Protagonisten zu identifizieren.

 

Neben den Mitgliedern von Class VII gibt es auch noch eine Reihe von Nebencharakteren auf Seiten der Protagonisten, welche erwähnenswert sind, wie die Klassenlehrerin Sara Valstein - eine ehemalige A-Rank Bracerin, die auch einen Bogen zu Trails in the Sky spannt, denn die Bracer-Gilde in Erebonia wurde Opfer jener Terror-Kampagne (Bombenanschläge auf Gilden-Büros), die schon im Liberl-Arc dafür sorgte, dass Cassius Bright zeitweise außer Landes war. Sara und Cassius dürften sich also kennen und damals während Trails in the Sky zusammengearbeitet haben. Sara ist zudem ein ziemlich erfolgreicher Talentescout, denn einige der Mitglieder von Class VII scheinen von ihr persönlich rekrutiert worden zu sein, wie Fie. Sara ist aber auch Teil der Pläne von Prinz Olivert, die schon aus Trails to Azure bekannt sind. Olivert will zum Ausgleich des "adeligen" und "reformerischen" Machtblocks eine dritte politische Fraktion schaffen, wozu er wohl von seinen Abenteuern in Liberl inspiriert wurde. Der Grund dafür liegt auf der Hand, während die Provinz-Armeen nur die Interessen der Herzöge schützen, sind auch die RMP und der kaiserliche Geheimdienst grundsätzlich nur ihrem Gründer Kanzler Osborne verpflichtet. Die Armee wiederum wäre zwar neutral, muss sich aber Sicherheitsaufgaben widmen, wie dem Grenzschutz oder eben auch den Umtrieben von Jaeger-Korps. Dass sich Prinz Olivert für seine Pläne also Hilfe bei den Bracern und persönlichen Freunden sucht ist nicht unerwartet.

 

Mehr von Olivert zu erfahren ist auch eines der Perks der Cold Steel-Tetralogie, aber fürs erste sind seine Auftritte durchaus noch beschränkt. Man erfährt aber zumindest, wie involviert er in die Geschäfte der Thors Militärakademie ist, dass er sich eine eigene Version der Arseille bauen ließ und tatsächlich der älteste Sohn des amtierenden Kaisers wäre. Dass der umtriebige und vergleichsweise erfahrenere und kompetenter wirkende Olivert nicht der Kronrpinz ist, sondern sein 10 Jahre jüngerer Halbbruder liegt an Oliverts Abstammung von einer bürgerlichen Mutter. Man könnte also annehmen der "verstoßene" Prinz hätte also guten Grund zumindest die Adels-Fraktion ins Visier zu nehmen, aber er wirft sich trotzdem nicht einfach in die Arme Kanzler Osbornes. Historisch fielen einem aber einige Beispiele ein, bei denen Konstellationen wie diese zu erheblichen Thronstreitigkeiten und der Bildung von Parteien hinter den jeweiligen Thronanwärtern führen könnten. Vielleicht hat Osborne Olivert als "seinen" Kronprinzen jedoch ausgeschlossen, weil er nicht willfährig genug ist. Auf gewisse Weise hat Cold Steel doch eine eher japanische Perspektive auf Kaiserhäuser, da diese dort auch meistens schwach sind und politisch von ihren Stellvertretern wie den Shogunen entmachtet und überschattet wurden. Aus europäischer Sicht würde man hingegen die Frage stellen, wer denn die Schwiegereltern des Kaisers sind, denn bei einer standesgemäßen Heirat müsste er zumindest die Tochter eines der vier Herzöge geheiratet haben, womit ein Teil der Adels-Fraktion praktisch Anspruch auf den Kronprinzen als einen der ihren erheben würde. Heiratsbündnisse sind aus europäischer Sicht nicht nur temporäre politische Bündnisse, sondern auch erbrechtliche Ansprüche und die Grundlage dafür, dass die angeheiratete Verwandtschaft sich am kaiserlichen Hof breit machen kann.

 

Die Antagonisten in Cold Steel 1 sind dabei unerwarteterweise genau jene Gruppe scheinbar semi-kompetenter Terroristen, die im Crossbell-Arc zum Kanonenfutter während der großen Konferenz wurden. Man hatte nicht das Gefühl, dass diese Terroristen wirklich eine Chance hatten, eher dass sie von irgendeinem der Intrigenspieler nach Crossbell gelockt wurden, um etwas anzuzetteln. In Cold Steel tritt man der Imperial Liberation Front nun direkt gegenüber und sie entpuppt sich als tumbe Anti-Osborne-Truppe, mit keiner politischen Zielsetzung über dessen Tod hinaus. So weit, so flach. Was es wirklich mit der Befreiungsfront auf sich hat werden wir wohl erst in späteren Teilen erfahren, denn außer den wahren Namen und kurzen Beschreibungen der Origin Stories (warum die vier Anführer der Bewegung sich Osbornes Ermordung verschrieben haben) erfährt man noch wenig. Ich würde sogar behaupten Osborne selbst hatte trotz seines "genius level IQ" und "strategic genius" (um eine Anleihe bei Marvel Comic-Charakteren zu nehmen) eigentlich keinen Grund die Befreiungsfront zu fürchten, sie schien wie die perfekte niedrigstufige Gefahrenquelle, um die sich auch die Schüler einer Militärakademie kümmern könnten. Diese B-Rank oder C-Rank-Gefahr schafft es am Ende trotzdem ins Rampenlicht zu kommen. Hinter der Bedrohung wartet eine noch größere Bedrohung - so war es in den bisherigen Trails-Arcs auch schon. Bei einem vierteiligen Arc kann da aber noch viel kommen und das ganze kann zu einem ziemlichen Klischee verkommen, "there is always a bigger fish". Im Finale von Cold Steel 1 kommen daher schon mehrere bekannte und neue Fraktionen zum Vorschein, die eine ziemliche Herausforderung für die Protagonisten und Erebonia als ganzes darstellen werden. Etwas erinnert mich das an die Serie 24, in welcher die Bedrohung aus den ersten Stunden des längsten Tages im Leben des Jack Bauer auch weit von der wahren Verschwörung in den letzten Stunden entfernt war.

 

Nach dem Ende mit seinen Code Geass Vibes bin ich auf jeden Fall gespannt wie es mit der Saga weiter geht.