Wenn ich an SWTOR zurück denke und welcher Charakter mir wirklich in Erinnerung geblieben ist, dann steht da einer vor allen anderen...

KotFE war für mich seinerzeit ein Kulturschock und ich konnte das Leak erst glauben, als es wirklich offiziell angekündigt wurde, soweit schien mir der Plot her geholt. Lang Zeit habe ich Jesse Sky, der als Creative Director die Verantwortung für KotFE übernahm und den Plot anscheinend aus einer RPG-Idee entwickelt hatte, für so etwas wie das schwarze Schaf in der Geschichte von SWTOR gehalten, so tief saß für mich der KotFE-Schock. Nun arbeitet Jesse Sky an der Seite von James Ohlen und Drew Karpyshyn an Exodus, dem möglichen Mass Effect-Erben und ich neige zur Skepsis. Was bisher von Exodus gezeigt wurde ist vielversprechend und etwas das ich mir auch von BioWare erwarten würde, aber das ganze wirkt auch etwas ungeschliffen, vielleicht liegt das aber daran, dass sich die BioWare-Veteranen ein völlig neues Studio ohne EA-Marketing-Abteilung aufbauen mussten.
Mein Misstrauen gegenüber "dem Typen der KotFE" verantwortet, sitzt immer noch tief, selbst wenn KotFE dieses Jahr am 20. bzw. 27. Oktober (zwei Daten wegen Early Access) schon 10 Jahre alt wird. Nach eher lauen Game Updates und dem kurzen Aufflackern einer Hoffnung zur Fortsetzung der 1.0-Storylines in Shadow of Revan überraschte KotFE mit vielen Änderungen, die mit allen Traditionen zu brechen schienen. Ich will heute jedoch gar nicht zu viel über meinen Kulturschock von damals reminiszieren, sondern mich auf etwas positives konzentrieren - KotFE hatte auch den (in meinen Augen) besten Star Wars Bösewicht in der Geschichte von SWTOR. Und das Storytelling in KotFE war an sich auch ziemlich stark und setzte neue Standards, vielleicht sollte ich Jesse Sky wirklich langsam verzeihen.
Dass KotFE als Storyline und Arcann als Charakter einen derart starken Eindruck hinterlassen konnten hing in meinen Augen rückblickend vom KotFE-Trailer ab. Neben der genialen Stimm-Performance von Darin DePaul als Erzähler/Valkorion deckte der Trailer einen emotionalen und tiefgründigen Charakter-Arc ab, wie ein Kurzfilm oder eine Kurzgeschichte. Und das haben wir nur indirekt BioWare zu verdanken, denn der Trailer wurde von Blur Studio geschaffen. Die Blur-Trailer galten schon vor dem Release von SWTOR als Highlights, weil sie sehr starke Erzählleistungen vollbrachten, eben wie animierte Kurzfilme. Dieses Erfolgskonzept hat schließlich sogar zu Serien wie "Love, Death and Robots" oder "Secret Level" geführt, wo Blur bzw. Blur-Mitgründer und Regisseur Tim Miller die volle Stärke dieses Mediums demonstrieren.
Arcann hatte einen, doch Darth Malgus hatte sogar 3 solche Blur-Trailer und auch noch mehr Merchandise. Doch trotz allem funktionierte der Trailer bei Arcann deutlich effektiver. Warum? Weil man Malgus Motive und Herkunft in den Trailern nie so präsentiert bekam wie in Arcanns Fall. Malgus blieb immer etwas eindimensionaler und daran haben auch eine Kurzgeschichte und ein auf dem dritten Trailer aufgebauter Roman wenig geändert. Das liegt auch daran, dass sich BioWares Entwickler in der Release-Version von SWTOR dann doch sehr wenig mit Malgus beschäftigten. Man bezog sich nicht auf den Roman oder die Kurzgeschichte, ebenso wie man sich auch kaum an den vor dem Release veröffentlichten Comics bezog. Darth Thanatos war etwa durchaus im Spiel, aber er wies keine Verbindung mehr zu den Kindern des Imperators auf. Auf gewisse Weise wurde die Lore der Begleitwerke ausgelassen und das ließ sie wenig relevant wirken. Nicht so bei KotFE, wo einem die für die Storyline höchst relevante und tragende Vorgeschichte präsentiert wird. Malgus blieb das Abziehbild eines Bösewichts, Arcann erhielt jedoch Tiefe.
Was so ein "Blur-Trailer" oder "Animationsfilmchen" zu tun vermag haben die bereits erwähnten Serien "Love, Death and Robots" oder "Secret Level" bereits demonstriert, ich würde aber noch einen Schritt weiter gehen und behaupten auch Kurzgeschichten können von ähnlicher Bedeutung sein. Man braucht sich nur ansehen, was an SciFi-Kurzgeschichten bis auf Film- oder Seriengröße aufgeblasen wurde, wobei ich besonders an Philip K. Dick denke. Blade Runner begann als Kurzgeschichte, die PKD selbst noch zum Roman ausbaute. Heute haben wir einen Film, ein Filmsequel, Animationsprojekte und demnächst wohl sogar eine als Sequel gedachte Real-Serie. Nicht zu vergessen die heute leider nur noch schwer aufzutreibenden autorisierten Blade Runner-Sequel-Romane von K. W. Jeter (der btw auch eine Trilogie von Star Wars-Romanen über die Rückkehr Boba Fetts nach Episode VI schrieb). Minority Report und Total Recall sind ebenfalls aus PKD-Kurzgeschichten entstanden. Man muss keinen 300 Seiten-Roman in Auftrag geben, um eine Story zu schaffen, die sich als Fundament für eine ganze Storyline nutzen lässt. Bei BioWare hat man das eigentlich auch irgendwie verstanden, denn es gab über die Jahre durchaus ein gutes Dutzend an Kurzgeschichten zu SWTOR, nur waren diese allesamt kaum wirklich von Bedeutung. Wohl auch weil man Spoiler vermeiden wollte. Dieser Zwang möglichst oberflächlich zu sein hat dem Werk der Kurzgeschichten-Autoren eindeutig geschadet, während der KotFE-Trailer im Grunde ein kompletter Spoiler ist. Man erfährt in diesem einen Kurzfilm mehr über Arcann, Valkorion und das Ewige Imperium als in den ersten 9 Kapiteln der Story. Aber man erfährt auch nicht alles, denn es gibt auch noch Vaylin und Senya, die im Verlauf der Geschichte bedeteunde Rollen einnehmen. Ohne den Trailer hätte KotFE auch der entsprechende Spin gefehlt, denn mit dieser filmreifen Ankündigung brachte man die Kritik am Bruch mit der auf Ziost und Yavin 4 begonnenen Storyline zum Schweigen.
Archetype Entertainment aka das Exodus-Studio (mit ehemaligen BioWare-Koryphäen) arbeitet auch mit Blur zusammen und das lässt durchaus hoffen, dass man vielleicht etwas aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt hat. Immerhin dürfte der Blur-Trailer ja auch Jesse Skys Idee gewesen sein. KotET wiederum dürfte zum Teil schon nach Skys Rückzug entstanden sein und der Vaylin gewdimete Blur-Trailer war zwar immer noch ein Lore-Urknall, er bewährte sich jedoch nicht mehr als Wunderwaffe.
Arcanns Erfolg als Charakter beruht auch darauf, dass er in seinem Auftritt als echter Star Wars-Charakter vorgestellt wurde. Der Trailer ist ein notwendiges Prequel, dass uns den Weg des Kriegerprinzen vom träumerischen Kind zum hasserfüllten Brudermörder (er wäre halt lieber Vatermörder geworden) vorführt. Arcann ist ein tragischer Charakter, der Leid und Rückschläge erdulden musste, noch ehe er uns im Thronsaal über Zakuul erstmals ingame gegenübertritt. Arcanns darauf folgende Handlungen sind ein Resultat dessen, was man im Trailer zu sehen bekam. Direkter lässt sich wohl keine Verbindung zwischen einem Begleit- und Hauptwerk schaffen. Dass Arcann seinen Vater bereits einmal ermorden wollte und für so vieles, was in seinem Leben falsch lief verantwortlich macht ist kein Zweizeiler in einem Kodex-Eintrag, den kaum einer liest. Man kennt Arcanns Motive, weil man seinen Werdegang sehen und nachempfinden konnte. Soviel von einem "Path to the dark side" hat man in Star Wars sonst nur von Anakin Skywalker gesehen. Arcann kann sich meines Erachtens daher auch mit Kylo Ren messen, denn Arcanns Fall ist prägnanter und umfassender erklärt, als im Fall von Vaders Enkel. In der Tradition eines George Lucas hat man sich für Arcann eines Archetypen bedient, wobei ich nicht geübt darin bin diesen genau zu bestimmen. Aber die Idee eines Brudermörders als Prinzen wirkt auf mich als fast so alt wie die Bibel, auch wenn Kain seinen Bruder diesmal nicht aus Eifersucht umgebracht hat. Thexann stand Arcanns Weg auf den Thron an sich nicht im Weg, denn ein Doppelkaisertum wäre zumindest nach antiken Beispielen denkbar gewesen, aber Thexann stellte sich gegen Arcann, um ihren Vater zu schützen - wobei er das vielleicht auch nur tat, um Arcann vor sich selbst zu schützen. Für Arcann blieb es jedoch nicht bei diesem einen Versuch. Thexann hätte wohl erwartet Arcann durch sein Opfer eine Lektion zu erteilen, wie korrumpierend und zerstörerisch der Ewige Thron sein kann. Genau kennen wir Thexanns Motive jedoch nicht, denn er ist tot und die Geschichte wird aus Arcanns Perspektive erzählt.
Arcann ist zudem kein unplausibler Charakter. Von den psychologischen Problemen historischer Thronerben, die unter ähnlicher Vernachlässigung und einer Erziehung durch Dritte litten ist durchaus einiges bekannt. Österreich-Ungarns Kronprinz Rudolf könnte sich etwa schließlich deshalb zu seinem Selbstmord entschlosen haben und auch Kaiser Wilhelm II. Hass auf England beruhte womöglich auf "familiären Problemen". Arcann rebelliert gegen einen scheinbar allmächtigen und unsterblichen Vater, doch es ist die absolute Kälte und Unnahbarkeit Valkorions die ihn zur Weißglut treibt. Arcann hat buchstäblich seinen Arm dafür gegeben, seinem Vater zu dienen und selbst das hat ihn völlig kalt gelassen. Das Ewige Imperium und sein Militär haben Arcann erzogen und diesem fühlt er sich schließlich auch verpflichtet, die Mordabsichten gegenüber seinem Vater mildern nicht seinen Patriotismus und den Willen all seine Feinde zu unterwerfen. Beste Voraussetzungen für einen Tyrannen, denn sein Gewissen ist bereits tot als er den Thron besteigt - er hat seinen als ausgleichende Gewalt geltenden Bruder bereits ermordet. Der Rundumschlag gegen all seine Kritiker und Befehlsverweigerer war da zu erwarten, denn so wie Valkorion sich über seine Kinder hinwegsetzte, so will sich Arcann von niemandem mehr behandeln lassen. Der junge Kaiser bräuchte wohl eine Therapie, stattdessen führt er Krieg und gewinnt diesen auch noch. Aggression scheint das beste Mittel, um seine Ziele zu erreichen, egal was man dafür opfern muss (wie Valkorion es ja schon im KotFE-Trailer betonte). Zakuuls junger Imperator scheint wie prädestiniert für einen Anfall von Cäsarenwahn.
Arcann in diesem Licht zu sehen funktioniert allerdings nur, weil sich die Ingame-Darstellung und der Trailer nicht widersprechen. Solange sich diese beiden aufeinander beziehen funktioniert das Kunststück, das Arcann wie einen dreidimensionalen statt ein Abziehbild wirken lässt.