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SWTOR steht wohl endgültig vor dem langen Abschied

Es begann gestern mit einem IGN-Artikel und schon kurz darauf folgte ein offizielles Statement von BioWares Keith Kanneg...

Zum wahrscheinlichen Ende von SWTOR muss ich mich trotz meiner Abstinenz seit dem "Jubiläumsjahr" 2022 wohl doch auch äußern, wenn auch mit etwas Verspätung, denn die News trafen uns Europäer mitten in der Nacht. Ganz kurz zusammengefasst, laut IGNs Informationen soll EA kurz davor stehen die Entwicklung von SWTOR an Broadsword Online Games Inc. auszulagern und oben drauf wird man in etwa die Hälfte des Entwicklerteams ebenso an den neuen Entwickler abtreten. Das sieht danach aus, als ob BioWare Austin liquidiert werden würde. Die übrige Hälfte der Belegschaft (laut IGN gegenwärtig 70-80 Mitarbeiter) erhält die Chance sich innerhalb von EA neue Jobs zu suchen, ansonsten droht allerdings die Kündigung. Mit welchem Datum diese Kündigungen vorgenommen werden ist bisher unbekannt. Auch unklar ist, was aus dem aktuellen BioWare-Offices in Austin wird. Broadsword Online Games scheint aktuell jedenfalls in Virginia beheimatet zu sein, was für die betroffenen Mitarbeiter einen Umzug oder Telearbeit mit gelegentlichen Besprechungen an einem anderen Ende der USA bedeuten würde. EA behält zwar die Rolle als Publisher, künftig wird Broadsword jedoch die weitere Entwicklung von SWTOR übernehmen.

 

Broadsword ist aktuell auch das Entwicklungsstudio von Ultima Online (Launch 1997, letztes größeres Update scheinbar 2015) und Dark Age of Camelot (2001). Wer sich übrigens die URL des Links zu Broadsword Online Games Inc. angesehen hat wird sich vielleicht wundern, warum dieser auf Mythic Entertainment verweist (http://www.mythicentertainment.com/index.html). In der bewegten Geschichte der Marke BioWare und EAs rastloser Zerstörung von aufgekauften Entwicklerstudios endete einst auch Mythic in EAs Besitz und firmierte als EA Mythic und zeitweise auch als BioWare Mythic. Als BioWare Mythic durfte man noch an Dragon Age 2 mitarbeiten, doch 2014 wurde auch Mythic von EA liquidiert. Das Studio ist jedoch unter der Führung eines einstigen Mythic Entertainment Mit-Gründers and BioWare VP Rob Denton wieder gegründet worden, diesmal als Broadsword Online Games und neuerlich unabhängig von EA, jedenfalls mehr oder weniger. Broadsword ist also ein wiederauferstandenes Dritt-Anbieter-Studio, das sich die etwas irreführende URL seines Vorgängers Mythic Entertainment gesichert hat. Dark Age of Camelot und Ultima Online sind immer noch Spiele bei denen EA als Publisher auftritt und Dark Age of Camelot wurde sogar seinerzeit von Mythic entwickelt. So ganz frei ist Broadsword also nicht von EAs Einfluss, aber das Studio kann zumindest formell als "unabhängig" bezeichnet werden.

 

Da Broadswords bisherige Projekte auch nach Jahren oder Jahrzehnten ohne neue Erweiterungen immer noch zu laufen scheinen darf man sich als SWTOR-Fan zumindest darüber freuen, dass dieses Spiel wohl auf ähnliche Weise erhalten bleiben wird. Für die Zukunft des Spiels bedeutet das jedoch auch einen Abschied auf Raten, denn ein 8.0 oder gar 9.0 wären auszuschließen. Aber auch mit 7.0 hat man ja schon bei der Produktbezeichnung geschummelt und ein größeres Game Update zur Expansion erklärt, mit dem Versprechen alles was auf diesen Status fehlt nachzuliefern. Aber man hat ja auch eine 10th Anniversary Celebration versprochen, die unterm Strich wie ein ganz gewöhnliches Jahr in der jüngeren Geschichte von SWTOR wirkte.

 

Ich wage hier mal die Behauptung aufzustellen, dass sich in mancher Hinsicht mit einem Wechsel zu Broadsword sehr wenig an der ohnehin ins Stocken geratenen Entwicklung ändern würde. Der Cash-Shop und das Abo-System dürften die Server-Kosten und den einen oder anderen Bug-Fix und Balancing-Patch auf Jahre sichern können. Man darf sich einfach nichts neues mehr erwarten, außer vielleicht der einen oder anderen neuen Season für PVE und PVP. Mit diesen hat man sich ohnehin schon auf stumme Dialoge eingelassen, sodass man sich die Vollvertonung künftig weitgehend sparen kann. Selbst im "Tod" bleibt uns SWTOR sehr wahrscheinlich erhalten und vielleicht wird es 2031 sogar ein 20. Jubiläum feiern können, wenn weiterhin jemand aus Leidenschaft die Stromrechnung bezahlt. Es sei denn, es gibt versteckte Kosten in Form der Lizenzgebühren, die erzwingen könnten, das Spiel irgendwann vom Netz zu nehmen.

 

Recht viel kann ich zur Zukunft von SWTOR auch nicht mehr sagen. Für mich ist das Spiel mit 7.0 tatsächlich gestorben. Charles Boyds Abgang als Creative Director und die Tatsache, dass man die "Writer" mit "Narrative Designern" ersetzt hat ließen mich schon an der Zukunft des Spiels zweifeln, wie auch der Umstand, dass Keith Kanneg selbst nicht mehr der jüngste sein dürfte (in einem Livestream wurde vor einigen Jahren mal erwähnt sein User-Bild bei Telekonferenzen wäre ein Bild seines Sparerips essenden Enkelsohnes). Keiths Vorgänger steuerten SWTOR zwar in turbulente Zeiten, aber unter ihm schraubte man die Ambitionen deutlich zurück. Oft genug wurde das Ausbleiben von größeren Updates in dieser Ära auch mit Arbeiten "under the hood" erklärt. Mag sein, dass man so möglichst viele Mitarbeiter an Bord halten und sich gegenüber dem höheren Management gut verkaufen konnte, aber so hat man nun auch die Vorarbeiten für den Wechsel zu Broadsword geleistet, das sich mit den Problemen "under the hood" nicht mehr beschäftigen muss. Wie lange die Hälfte der zu Broadsword wechselnden Mitarbeiter bleiben wird ist zudem ungewiss, da man gerade im Land der unbegrenzten Arbeitskräfte-Ausbeutung bei diesem Wechsel, der ja nicht innerhalb der Firma EA erfolgt, wahrscheinlich das Recht besitzen könnte die Neueinstellungen relativ früh und einfach zu kündigen, sobald ein Kern-Team für den Maintenance Mode zusammengestellt wurde bzw. sobald die letzten noch von BioWare initiierten Game Updates fertig gestellt sind. Wehe die Ex-BioWare-Mitarbeiter kämen als Teil von Broadsword auf die Idee sich auch nur annähernd gewerkschaftlich gegenüber dem neuen Arbeitgeber zu organisieren.

 

Über die wahrscheinlichen Gründe für das "Aus" wurde sicherlich schon genug geschrieben, auch von meiner Seite. Irgendwann läuft das Fass ja mal über. Jahrelange Performance-Probleme und Content-Mangel haben SWTOR schon bei vielen Endgame-Spielern das Feuer der Leidenschaft verglimmen lassen. Doch SWTOR hat auch eine ganze Menge "Legacy-Content", um es einmal so auszudrücken. Neben den 8 Klassenstories, hat das Spiel ja auch noch 5 echte Expansionen zu bieten und mit einem Charakter von der Starterwelt bis in die trüben Gewässer der 7.0-Ära zu kommen dauert mehr als nur ein Wochenende. Für Neueinsteiger wird SWTOR immer eine massive immersive Welt zu bieten haben - mit Content für hunderte Spielstunden. Selbst Rückkehrer könnten sich nach Jahren wieder einmal für eine fast vergessene Klassenstory und den Addon-Content begeistern lassen. SWTOR kann so durchaus noch einige Jahre überleben. So gesehen ist es zwar vorbei, aber wir können noch freundschaftlich miteinander reden? Die Zukunft sieht so weniger düster aus als jahrelang angenommen, denn ein #SaveSWTOR wird nicht notwendig sein. Wer SWTOR nun aber wirklich dauerhaft retten will, dürfte gezwungen sein seine andauernde Loyalität auch zu beweisen. Eine Rettung auf Raten oder #SaveXY als Live-Service.

 

Für mich persönlich ist die Meldung von IGN (sollte sie sich bewahrheiten) ein Stück weit auch eine Erlösung. Die Aussicht, dass SWTOR mehr oder weniger zum Museumsstück wird bedeutet zwar, dass man das Spiel doch aufgegeben hat, aber es bleibt und für mich sind die besten Momente aus meinen SWTOR-Jahren nun auch einmal mit Content verbunden der schon vor 7.0 im Spiel war. Sollte ich jemals den Wunsch verspüren diese Zeiten wieder aufleben zu lassen, so wird man das nun wohl doch noch länger als gedacht möglich sein. EA verscherbelt SWTOR ja nicht an irgendwen, sondern einen Sub-Unternehmer, der es auch versteht gefühlt uralte Titel über Jahrzehnte am Netz zu halten. Die Vorstellung EA würde das 11 Jahre alte SWTOR plötzlich doch irgendwann mit einigen frischen Millionen als Budget segnen, nur um zu sehen, ob das bestehende Team noch den Biss und die Ambition besitzt etwas wirklich großes auf den Weg zu bringen, war ja doch schon sehr illusorisch. EA ist kein exzentrischer Milliardär und selbst bei diesen weiß man ja oft nicht, ob deren Einfluss die Marke nicht noch weiter ruinieren kann. Mir ist es lieber SWTOR in einem (wenn auch eher offenen) Status Quo zu erhalten, anstatt es durch unterdurchschnittlichen Content noch 1-2 Jahre wiederholt gegen die Wand zu fahren, bis der Stecker gezogen wird. Und sei es nur, um die Griefer der goldenen Jahre 2031 damit zu trollen, dass SWTOR immer noch nicht tot ist, es laut ihnen aber schon seit 2012 sein sollte. Dafür lohnt es sich doch noch zu leben.

 

Die mögliche langfristige Zukunft von SWTOR ist aber auch etwas, das im Kontrast zur Praxis von EA stehen würde, das ja nach spätestens 10 Jahre gerne mal den Stecker bei den Servern von Online-Spielen zieht. Welche Shooter von 2011 laufen heute noch auf den offiziellen Servern? In der Welt von Life-Services schien es in den letzten Jahren eher so, als ob alles vergänglich wäre und man sich bei digital erworbenen Spielen gar nicht auf deren Langlebigkeit verlassen könnte. In spätestens 20 Jahren ist das alles einfach weg - hätte man ja annehmen können. Aber es bilden sich auch stellenweise seltsame langlebige Überlebensmodelle heraus, gerade bei MMORPGs. Ich ziehe da für mich gerne den Vergleich zu TV-Serien, bei denen deren "Kultstatus" auch nicht notwendigerweise von ihrer Langlebigkeit in Hinsicht auf die Staffelanzahl abhängig war. Oftmals etablierten sich Kult-Serien nicht weil sie über 10 Jahre hinweg immer wieder fortgesetzt und qualitativ scheinbar immer schlechter wurden - sondern weil ein mehr oder weniger abgeschlossener Kern von 100+ Folgen immer wieder ausgestrahlt und an unzählige Sender verkauft wurde. Ich bin mit diesem Phänomen noch aufgewachsen und habe auf diesem Wege in den 90er-Jahren noch Serien aus den 80er-Jahren zu lieben gelernt. A-Team, Airwolf, Knight Rider oder auch die Filme von Bud Spencer und Terrence Hill waren weder mit 10+ Staffeln gesegnet, noch mit einem eigenen Cinematic Universe. Was jetzt kein boomerhaftes Totschlagargument sein soll, aber ich möchte halt darauf hinweisen, dass selbst Star Wars seine Anfänge auf diese Art nahm. Wenn man die Filme nicht gerade auf Videokassette zu Hause hatte, dann musste man auf die jährlichen Ausstrahlungen auf irgendeinem Sender warten. Diese gefühlte Seltenheit schuf "Communities" und schuf auch das  Star Wars Expanded Universe. SWTOR als Legacy-Projekt in einem Wartungsmodus zu belassen zerstört das Spiel in meinen Augen nicht, im Gegenteil, genau so lässt es sich als "retro" verkaufen. Verabschieden wir uns einmal vom ganzen "wir brauchen mehr Content zu XY" und beschränken uns auf das was da ist, werden wir vielleicht sogar zufriedener mit dem Status Quo.